Karlsruhe bremst die EZB
Milliardenprogramm der Notenbank ist in Teilen verfassungswidrig
Karlsruhe Billionen Euro hat die Europäische Zentralbank in den Kauf von Staatsanleihen gesteckt – nun stellt sich das Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal offen gegen diese Politik des billigen Geldes. Die Notenbank habe mit dem 2015 gestarteten Programm ihr Mandat überspannt, entschieden die Karlsruher Richter. Die Bundesregierung hat nun drei Monate Zeit, die EZB zu einer Überprüfung des beanstandeten Kaufprogramms zu bewegen. Danach darf sich die Bundesbank nicht mehr daran beteiligen.
In der Corona-Krise, die Europas Solidarität in nie da gewesener Weise herausfordere, könne das Urteil „auf den ersten Blick irritierend wirken“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Aber: „Um die Krise und ihre Folgen nachhaltig zu bewältigen, brauchen wir das Recht als festes gemeinsames Fundament.“
Voßkuhle dagegen monierte, das Programm habe „erhebliche ökonomische Auswirkungen auf nahezu alle Bürgerinnen und Bürger, die als Aktionäre, Mieter, Eigentümer von Immobilien, Sparer und Versicherungsnehmer betroffen sind“. Für Sparvermögen ergäben sich große Verlustrisiken, die Immobilienpreise stiegen überproportional. Die EU-Kommission dagegen betont den Vorrang europäischen Rechts
Eine verbotene Staatsfinanzierung stellte das Verfassungsgericht nicht fest. Die Corona-Hilfen waren nicht Gegenstand der Entscheidung. Um die Folgen der Corona-Krise abzufedern, hat die EZB ihre Anleihenkäufe zuletzt noch deutlich ausgeweitet.
FDP-Chef Cristian Lindner forderte im Live-Interview unserer Redaktion Konsequenzen: „Mit Blick auf die Verschuldung der Staaten müssen wir prüfen, ob wir nicht andere Regeln brauchen“, sagte er. „Ein Land, das überschuldet ist, da können nicht einfach die Schulden vergemeinschaftet werden, sondern da muss es möglicherweise zu einem Schuldenschnitt kommen können, einer Staateninsolvenz.“