Vom Protest zur Partei?
Forscher warnen vor „Hygiene-Demos“
Berlin Immer mehr Gegner der weitreichenden Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus gehen in vielen deutschen Städten auf die Straße. Sie fordern auf sogenannten Hygiene-Demos eine „Beendigung des Notstand-Regimes“. Einige von ihnen treiben die Gründung einer Partei mit dem Namen „Widerstand 2020“voran. Die Gruppe behauptete sogar, bereits über mehr als 100000 Mitglieder zu verfügen. Allerdings genügt den Aktivisten auf ihrer Webseite eine einfache Registrierung, um Unterstützer als Parteimitglieder auszugeben. Auf der offiziellen Facebook-Seite zählt die Gruppierung lediglich 4000 Anhänger. Anfragen unserer Redaktion an Gründerin Victoria Hamm dazu blieben unbeantwortet.
Die 36-Jährige, die in der Nähe von Hannover wohnt, hat die Partei Mitte April initiiert. Sie habe sich angesichts der Corona-Maßnahmen machtlos gefühlt und Widerstand leisten wollen, sagte die Paarberaterin und Psychologie-Studentin kürzlich dem Davor sei sie politisch nicht aktiv gewesen. Unterstützt wird sie von dem Leipziger Rechtsanwalt Ralf Ludwig und dem HNOArzt Bodo Schiffmann aus Sinsheim. Letzterer spricht auf seinem Youtube-Kanal von einer bewusst verbreiteten Massenpanik und nennt eine mögliche Pflichtimpfung gegen das Virus schlicht Körperverletzung.
Der Chef des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, Matthias Quent, warnt indessen vor einer Instrumentalisierung der Bewegung durch Rechtsextremisten. „Bisher haben die Unzufriedenen und Frustrierten, Verschwörungserzähler, Esoteriker, Impfgegner, Antisemiten und Rechtsradikalen hierzulande kein Kollektiv gebildet und daher ist die Gefahr überschaubar“, schrieb er kürzlich auf Twitter. Das könne sich nun ändern, berichtet der Soziologe. „Widerstand 2020“versuche, genau
ZDF.
diese gesellschaftlichen Milieus zu vereinen. Die Bewegung halte er zwar nicht per se für rechts, vor allem sei sie populistisch. Doch er warnt vor einer starken Bewerbung in rechten Kanälen: „Rechte Narrative und Akteure sind sehr präsent.“
Eine reguläre Partei sei „Widerstand 2020“nicht, sagte die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger dem ZDF: „Um eine Partei zu sein, braucht man ein Mindestmaß an politischem Programm.“Auch die anonymen Spenden, zu denen die Gründer im Internet aufrufen, seien nicht mit dem Parteiengesetz vereinbar. Aktuell, so Schönberger, fehlten die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Partei.
„Widerstand 2020“will bei der nächsten Bundestagswahl antreten, ist auf der Webseite der Gruppierung zu lesen. Doch auch auf dem Internetauftritt liefern die Initiatoren, die vollmundig von der „viertgrößten Partei“Deutschlands sprechen, kein Parteiprogramm. Dafür verfechten sie Thesen, die nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen sind. So sollen etwa die Abgeordneten des Bundestags durch ein Notstandsparlament aus 700 Menschen, die in der Vergangenheit nicht in der Politik tätig waren, ersetzt werden.