Es riecht nach Happy End
Das Schauspieler- und Ehepaar Andrea Sawatzki und Christian Berkel macht bei den Donauwörther Kulturtagen zum ersten Mal eine gemeinsame Lesung. Die beiden Promis geben sich dabei sympathisch und bodenständig
Donauwörth Ein singender Wal, ein Oberbürgermeister als Fragesteller und Spannendes aus dem Berliner Milieu – diese Mischung hätte ein „volles Haus“verdient. Die wenigen Besucher, die coronabedingt Karten für das Event ergatterten, erlebten Sternstunden der Donauwörther Kulturtage. Garanten dafür: Andrea Sawatzki und Christian Berkel ganz nah, bodenständig und sympathisch. Eines der wohl derzeit prominentesten Schauspieler-Paare Deutschlands imponierte in jeder Hinsicht.
Oberbürgermeister Jürgen Sorré stellte die beiden eigens aus Berlin angereisten Stars vor, erwies sich aber auch als eloquenter Plauderer im Moderationsgespräch mit Andrea Sawatzki. Die Schauspielerin, Hörbuchsprecherin und Romanautorin legte gleich flott los.
Gundula Bundschuh, die Hauptprotagonistin in ihrem Buch, komme gut damit runter, ganz schnell. Hilfreich dabei auch ein singender Wal und die seufzende Schlange. Alles dreht sich in den nunmehr vier Romanen Sawatzkis um Gundula Bundschuh, Mutter zweier Kinder, Elternbeiratsvorsitzende, Hundehalterin und Ehefrau. In urkomischen Szenen malt die Autorin in „Andere machen das beruflich“kunterbunte und fantasievolle Bilder. Da kann man nicht anders, als sich köstlich auf Kosten dieser geplagten Frau im besten Alter zu amüsieren.
Keine (man sichtet überwiegend Frauen) und keiner hängen bei der Lesung im Zeughaus nicht an den Lippen Sawatzkis. Diese fächern sich immer wieder zu einem umwerfenden Lächeln auf – ein Lächeln, das wohl einen Teil ihres Ruhms bei Film und Fernsehen begründet. Dazu zählen aber auch eine frische klare Frauenstimme, das ungekünstelte Hochdeutsch und die deutliche Aussprache. Dazwischen wechselt sie in den Sprachton der Darsteller, ein Hochgenuss. Stellenweise glaubte man, einem Hörbuch zu lauschen.
Wer die TV-Filme nach Sawatzkis Romanvorlagen gesehen hat,
die Rolle des Ehemanns Gerald, den Axel Milberg verkörpert: immer brummig sein und sich ins Hobby flüchten. Eine Schallplattensammlung deutscher Schlager ist das, was Gerald am Leben hält.
Ob es Gundula Bundschuh als Lehrerin mit einem wilden Haufen von Schülern gelingt, den Sommernachtstraum von Shakespeare einzuüben, bleibt offen.
Auch bei vergnüglichen Schildekennt rungen bleibt Andrea Sawatzki ernst. Sie begegnet zum Beispiel Jürgen, dem Erdkundelehrer. Dessen Stimme übernimmt sie genauso wie die von Judy Winter alias Mutter im Film. Dass Andrea Sawatzki eine Schönheit ist, muss nicht eigens betont werden. Ihre schräg gestellten, blauen Augen, die sie ungemein groß machen kann, senden zwischendurch Blitze zu ihrem Mann Christian Berkel aus, der in der ersten Reihe aufmerksam lauscht. So oft sieht er seine Frau nämlich nicht in dieser Rolle, ist es doch der erste gemeinsame Auftritt der beiden bei einer Lesung.
Dann der Break: Christian Berkel nimmt Platz und plaudert über seine persönliche Geschichte. Der Schauspieler hat in jahrelanger Arbeit in den Annalen seiner Familie recherchiert und alles zu einem Roman verdichtet. Mehr und mehr durfte das Publikum in hundert Jahre Deutsche Geschichte eintauchen und in die dramatischen Erlebnisse einer verzweigten deutsch-jüdischen Familie. Was hat dies mit dem Titel seines Romans „Der Apfelbaum“zu tun? Man kann es zweierlei deuten. Schon früh habe er den Apfelbaum im Garten als Theaterluft entdeckt. Berkel („Der Kriminalist“) berichtete, wie es ihn nicht losgelassen habe, als ihn seine Mutter einmal als halb jüdisch und halb deutsch bezeichnete, als er sie einmal nach seiner Herkunft fragte. Die Tabus der eigenen Familie, auch die Sprachlosigkeit, haben ihn umgetrieben.
In der Lesung lernen die Zuhörer Jean, einen Bohemien mit Verbindungen zu Dichtern und Denkern in Ascona, kennen, aber auch die aus Lodz stammende Jüdin Isa. Berkels Eltern werden aus unterschiedlichen Milieus zusammengewürfelt: 1932, als Berkels Vater Otto in einer Berliner Boxerclique auf die schiefe Bahn gerät und bei einem Einbruch in eine Villa die hübsche Sala kennenlernt.
Spannend, wortgewandt, liest Berkel Passagen aus dem Buch vor, mit bühnenerprobter Betonung, dazwischen „berlinert“er wie in der einfach gestrickten Sippe seines Vaters Otto. Seine Mutter, als Halbjüdin eingestuft, flieht nach Frankreich und taucht auf einer Zugfahrt nach Leipzig nach den Grauen des Frauenlagers in den Pyrenäen unter. Das Ende lässt Berkel offen – „aber es riecht nach Happy End“.