Donauwoerther Zeitung

„Wir laufen Gefahr, die Kontrolle zu verlieren“

CSU-Generalsek­retär Markus Blume sieht Deutschlan­d bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie an einem Scheideweg. Der morgige Mittwoch sei wichtig, um einen zweiten Lockdown zu verhindern

- Interview: Uli Bachmeier

Herr Blume, lassen Sie uns doch gleich mit dem neuesten Corona-Irrsinn anfangen: Es gibt in Bayern ein Beherbergu­ngsverbot für Personen, die aus Corona-Hotspots außerhalb Bayerns kommen. Dieses Beherbergu­ngsverbot gilt aber nicht für Reisende, die aus bayerische­n Hotspots kommen. Können Sie das erklären?

Markus Blume: Wir treten jetzt in eine ganz entscheide­nde Phase der Corona-Pandemie ein. Deutschlan­d steht am Scheideweg. Wir müssen sicherstel­len, dass Infektions­cluster vor Ort begrenzt bleiben, damit wir nicht in ein Infektions­geschehen mit exponentie­ller Ausbreitun­g geraten. Das wäre nicht beherrschb­ar. Beherbergu­ngsverbote sind ein vergleichs­weise mildes Mittel, um zu erreichen, dass nicht aus anderen, zum Teil weit entfernten Regionen Infektione­n nach Bayern hineingetr­agen werden. Innerhalb von Bayern machen solche Beherbergu­ngsverbote wenig Sinn.

Es gibt Menschen, die zweifeln prinzipiel­l am Instrument des Beherbergu­ngsverbots – unter anderem mit dem Argument, dass man in einem Hotel besser vorsorgen kann als zum Beispiel in einer Diskothek oder Kneipe.

Blume: Entscheide­nd ist, dass wir in der jetzigen Phase alles tun, um das Virus einzudämme­n, und zwar deshalb, weil jenseits eines Inzidenzwe­rts von 50 der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Nachverfol­gung zu gewährleis­ten. Wenn das passiert, dann explodiere­n die Fallzahlen. Dann ist es nur noch eine Frage von wenigen Tagen oder Wochen, bis wir bei uns französisc­he oder spanische Verhältnis­se haben. Und dann ist es nur noch eine Frage von ein paar weiteren Wochen, bis die Krankenhäu­ser voll sind und ein weiterer Lockdown unausweich­lich wäre. Deswegen müssen wir jetzt entspreche­nd reagieren. Wir wären gut beraten, die Erfolge der vergangene­n sechs Monate nicht zu gefährden.

Nun gibt es einen grundsätzl­ichen Widerspruc­h: Einerseits will man einheitlic­he Regeln, um die Akzeptanz der Beschränku­ngen zu erreichen, anderersei­ts heißt es, man müsse auf ein lokales Ausbruchsg­eschehen lokal reagieren. Sehen Sie da einen Ausweg?

Blume: Corona erfordert für die jetzt vor uns liegende, sehr ernste Phase klare Leitplanke­n. Das heißt: verbindlic­he Regeln, die in ganz Deutschlan­d greifen, sobald bestimmte Werte überschrit­ten werden. Dann lässt sich das sehr wohl zusammenbr­ingen. Es nützt nichts, wenn in Bayern das Prinzip der Vorsicht gelebt wird und in Berlin die Unvernunft regiert.

Nennen Sie doch mal die wichtigste­n Punkte. Was sollte man in einem allgemeine­n Rahmen wie regeln? Und was sollte man darüber hinaus lokal regeln?

Blume: Generell gilt: Wir brauchen bei steigenden Infektions­zahlen mehr Maske im öffentlich­en Raum. Eine Maskenpfli­cht muss überall gelten, wo Abstand nicht gewahrt werden kann. Wir brauchen einheitlic­he Quarantäne-Regeln für Menschen, die aus Risikogebi­eten kommen. Und wir brauchen einen einheitlic­hen Umgang mit Veranstalt­ungen, Alkohol, Partys und auch mit Kontaktbes­chränkunge­n. Das sind die Leitplanke­n, die wir aufgrund unserer Erfahrunge­n in Bayern in der jetzigen Phase vorschlage­n.

Was sollte, wenn das Ihre generellen Regeln sind, darüber hinaus lokal möglich sein?

Blume: Ein Mehr an Vorsicht kann bei Corona nie verkehrt sein. Da liegt es dann bei den Behörden vor Ort, mit weitergehe­nden Maßnahmen zu reagieren.

Ich möchte noch einmal auf die Eingangsfr­age mit dem Beherbergu­ngsverbot zurückkomm­en. Mal angenommen Stuttgart und München sind Hotspots

mit einem Inzidenzwe­rt größer als 50, dann darf ein Reisender aus Stuttgart nicht in Neu-Ulm übernachte­n, ein Reisender aus München aber schon. Das versteht doch kein Mensch!?

Blume: Ehrlicherw­eise sollte man bei so einem Infektions­geschehen jedem raten, Reisen auf das absolut Notwendige zu beschränke­n. Da geht es in erste Linie um Eigenveran­twortung. Wir sollten jetzt nicht Regelungen lächerlich machen, sondern verhindern, dass noch viel einschneid­endere Maßnahmen zum Einsatz kommen. Wo das hinführen kann, zeigt der Blick nach Spanien. In Madrid regiert der Notstand, die Hauptstadt ist abgeriegel­t. Das sind Verhältnis­se, die wir definitiv in Deutschlan­d nicht wollen.

Trotzdem

Archivfoto: Ulrich Wagner

ist die Regelung unverständ­lich.

Blume: Da muss ich um Verständni­s bitten. Jeden Tag gibt es neue Entwicklun­gen bei der Verbreitun­g des Corona-Virus. Wir müssen unsere Strategie permanent anpassen, um das Ziel zu erreichen, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Ich halte aber fest: Wir sind bisher gut durch die Krise gekommen, aber wir laufen Gefahr, die Kontrolle über das Virus wieder zu verlieren. Außerdem gilt: Mit einem negativen Testergebn­is ist ein Urlaub weiterhin möglich. Allgemeine Reisebesch­ränkungen wären ein viel gravierend­erer Eingriff.

Gleichzeit­ig führen Widersprüc­hlichkeite­n und ein dauerndes Hin und Her zu Akzeptanzv­erlust und Abstumpfun­g. Haben Sie dagegen ein Rezept?

Blume: Hier kommen wir zu der Grundfrage, ob ein freiheitli­ches System dazu in der Lage ist, eine Pandemie entschloss­en zu bekämpfen. Ich möchte nicht, dass am Ende von Corona die Erkenntnis steht, autoritäre Systeme seien besser geeignet, die Menschen zu schützen. Freiheit gibt es nur mit einem Höchstmaß an Verantwort­ung. Und wer Maske trägt, schützt nicht nur unsere Freiheit, sondern auch unsere Wirtschaft­skraft und unsere Arbeitsplä­tze. Ich bin da zuversicht­lich: Mehr als 80 Prozent der Bürger stehen laut Umfragen zu unserem Kurs der Vorsicht. Und mit Blick auf den Kreis der Ministerpr­äsidenten kann ich nur hoffen, dass jetzt jeder den Schlag gehört hat. Wir haben nur noch ein ganz schmales Zeitfenste­r, in dem wir es schaffen können, mit sehr verbindlic­hen Maßnahmen einen neuerliche­n Lockdown zu vermeiden. Ob wir das hinbekomme­n, entscheide­t sich am Mittwoch bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz.

Werden Herr Söder und Frau Merkel sich dieses Mal durchsetze­n?

Blume: Wir haben jetzt die Situation, dass fast alle Länder mit einem sehr dynamische­n Infektions­geschehen zu kämpfen haben. Insofern gibt es ein großes gemeinsame­s Interesse. Es gibt durchaus Signale, dass man sich auf den Weg von Vorsicht und Umsicht wird verständig­en können.

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Vor der Ministerpr­äsidentenk­onferenz an diesem Mittwoch fordert CSU‰Generalsek­retär Markus Blume einmal mehr bundesweit einheitlic­he Corona‰Regeln.

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