Eine Stunde Innigkeit
Das Vokalensemble München und der Organist Roland Götz erzählten musikalisch vom Gottvertrauen in einer Zeit der Wirren des Dreißigjährigen Kriegs. Klangschön und ausdrucksreich gestalteten sie ihre Interpretationen
Niederschönenfeld Werke der bedeutendsten europäischen Komponisten im Übergang von Renaissance zum Barock, vorgetragen vom Vokalensemble München unter Leitung von Viktor Töpelmann, beziehungsweise intoniert von Roland Götz auf der historischen Prescher-Orgel, luden in die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt in Niederschönenfeld ein. Klangschöne Orgel- und Vokalwerke wechselten sich denn auch in der Barockkirche stimmig ab. Ergänzt durch kurze, inhaltsreiche Einführungen von Organist und Chorleiter.
Vorweg: Es war ein wundersam bewegendes Konzert. Trotz aller Einschränkungen im chorischen Singen, wenn die Sänger im Zwei-MeterMindestabstand voneinander – solistisch – singen, in der Platzierung der Besucher. Nähe oder Wärme können so eigentlich nicht entstehen – und doch entstand Beglückung. Der dem Ensemble zugeschriebene homogene Klang, der reiche Ausdruck, die Schönheit der Stimmen, gesanglicher Wohlklang, und dazu glänzendes Orgelspiel – das alles trug dazu bei.
Musik aus Renaissance und Frühbarock. Einer Zeit, in der in Deutschland das Wüten, Brandschatzen, Morden und Zerstören des Dreißigjährigen Krieges nur wenige Jahre zurücklag. Als der Krieg erlosch, war Deutschland entvölkert, auch Kloster Niederschönenfeld zerstört. Für den Zeitgenossen waren
diesem jahrzehntelangen Erleiden Leben und Tod, Diesseits und Jenseits, Tugend und Wolllust: Vanitas, Memento mori und Carpe diem Leitmotiv, keine Gegensätze.
Roland Götz hat auf vielen historischen Orgeln in aller Welt gespielt. Die Prescher-Orgel in Niederschönenfeld – aus der frühen Aufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg – spielte er meisterhaft. Ihr warmer, voller, singender Ton leuchtete in den ausgewählten Werken nach. Er spielte klangschöne Werke der wohl einflussreichsten Komponisten für Tasteninstrumente aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: des Niederländers Jan Pieterszoon Sweelinck, des Spaniers Antonio de Cabezón, des Italieners Girolamo Frescobaldi und des norddeutschen Heinrich Schütz.
Vom Amsterdamer Organisten Sweelinck (1562-1621), dem „letzten Meister der niederländischen
Polyfonie“, als Virtuose, Pädagoge und Komponist europaweit geschätzt, gab es eine berührende „Pavana hispanica“. Sweelincks Orgelspiel war gerühmt als eine der Hauptattraktionen Amsterdams: Ab etwa 1590 improvisierte er in der Oude Kerk als Ausdruck städtischen Lebens, sodass viele Kaufleute und Bürger sich darin ergingen, Handel trieben und Geschäfte schlossen.
Nicht nur instrumental, auch vokal durfte man sich an Sweelinck erfreuen: Mit „Cantate Domino“stellte sich der Chor vor – großartig disponiert, in feinem Klang jubelnd. Hieronymus Praetorius, norddeutscher Zeitgenosse Sweelincks war mit seiner Motette „Adesto unus Deus“noch der Renaissance verhaftet. Dieses laut Töpelmann „konservativste“Werk des Konzertes erklang, höchst kunstvoll verschlungen, sehr eindrucksvoll. Von Girolavor mo Frescobaldi (1583-1629), am Ende eines wechselvollen Lebens Organist am Petersdom, der aufgrund seiner innovativen Werke in die venezianische und neapolitanische Einflüsse einging, und der enormen Einfluss auf die Tastenmusik seiner Zeit und der folgenden Generationen ausübte, spielte Roland Göth die „Toccato quarta per l‘organo da sonarsi all‘ Elevazione“, quirlig und gleichermaßen kontemplativ.
Die Motetten von Heinrich Schütz, dem bedeutendsten deutschen Komponisten des Frühbarock, in dessen Leben sich die durch Krieg, Seuchen und soziale Widrigkeiten verursachen Umwälzungen widerspiegeln, waren vertontes Gottvertrauen. Wortverständlich vorgetragen, von der Tenorstimme eingeleitet „Herr auf Dich traue ich“, und das volksliedhafte „So fahr ich hin“, in dem Sopran und Alt sanft Tenor und Bass umspielen. Das Ensemble entzückte auch hier.
Zwei Orgelstücke sind noch aufzuführen – vom Komponisten Antonio de Cabezón das „tiento del primer tono“, dann noch einmal Frescobaldi mit dem „Recercar non obligo …“, ein machtvoll klingendes Orgelwerk; die Sopranstimme unterlegt „Sancta Maria, ora pro nobis, amen“in vielfältigen Wiederholungen – beeindruckend gestaltet und vorgetragen!
Mit Mariens berühmtem Lobgesang „Magnificat“, von Sweelinck wunderbar in Töne gesetzt, bewies der Chor, dass er sich zu einem der profiliertesten Chöre für Alte Musik und historische Aufführungspraxis entwickelt hat. Eine Huldigung an den Aufführungsort Mariä Auferstehung. Eine innige Stunde nahm damit ihr Ende. Begeisterter Beifall wurde allen Beteiligten von den vielen Besuchern verdient gezollt.