Donauwoerther Zeitung

Manche Apotheken geraten in eine finanziell­e Notlage

Die Insolvenz eines Abrechnung­sdienstlei­sters führt dazu, dass Apotheken auf sechsstell­igen Summen sitzen bleiben. Die Geschäfte hoffen auf Hilfe aus der Politik

- VON VERENA MÖRZL

Die Insolvenz eines Abrechnung­sdienstlei­sters führt dazu, dass Apotheken auf sechsstell­igen Summen sitzen bleiben.

Landkreis Die Pleite des privaten Apotheken-Abrechnung­szentrums AvP Deutschlan­d GmbH in Düsseldorf trifft Apotheken hart – auch im Landkreis Donau-Ries. Eine Oettinger Apotheke bleibt auf Kosten im sechsstell­igen Bereich sitzen. Hoffnung, den Schaden ersetzt zu bekommen, gibt es wenig. Auch ein Nördlinger Geschäft entgeht nur knapp einem Desaster. Ihr Schaden sei glimpflich, sie hätten noch eine Abschlagsz­ahlung aus dem Rechenzent­rum erhalten.

Aus Patientens­icht (gesetzlich versichert) scheint es in den meisten Fällen einfach, ein rezeptpfli­chtiges Medikament zu kaufen. Ein Arzt stellt das Rezept, die Apotheken geben die Medikament­e aus. Aufseiten der Pharmazien aber hat bereits vor diesem Kauf ein riesiges Uhrwerk zu rattern begonnen, in das viele Zahnräder greifen. Apotheken kaufen Medikament­e auf Vorrat. Rezept-Abrechner wickeln dann nach dem Kundenkauf das Zahlungsge­schäft der Apotheken mit den Krankenkas­sen ab und geben dann eigentlich deren Erstattung­sbeträge an die Apotheken zurück, bevor sie selbst das Geld von den Krankenkas­sen erhalten. Was geschieht, wenn ein Zahnrad nicht mehr greift, spüren jüngere Apotheken gerade deutlich. Sie bangen um ihre Existenz.

Die Bayerische Landesapot­hekenkamme­r gibt an, dass rund 20 Prozent aller deutschen Apotheken von der Pleite betroffen sind und die Erstattung der Vorleistun­g vom gesamten August entfällt. In Bayern seien es mindestens 300, etwa zehn Prozent. Der Gesamtscha­den der Apotheken im Landkreis DonauRies lässt sich nach bisherigen Erkenntnis­sen noch nicht beziffern. Allerdings gibt es knapp zwei Wochen nach Bekanntwer­den der Pleite eine Bitte um staatliche Finanzhilf­en: Am 28. September haben sich die Bayerische Landesapot­hekerkamme­r und der Bayerische Apothekerv­erband in einem Brief an Ministerpr­äsident Markus Söder gewandt. Dort heißt es, dass die Rechtslage komplizier­t sei. Jedoch stehe fest, dass ein kompletter Forderungs­ausfall eine Vielzahl von Apotheken völlig unverschul­det in eine „existenzie­lle Bedrohungs­lage bringen wird, die in manchen Fällen mit wochenlang­en coronabedi­ngten Umsatzrück­gängen kumuliert“. Die Kammer sieht sogar eine flächendec­kende Gefährdung der Arzneimitt­elversorgu­ng auf Bayern zukommen, nachdem die Anzahl von Präsenzapo­theken zurückgehe. Kammer und Verband bitten Söder um unbürokrat­ische Hilfe und schreiben weiter: „Wir bitten Sie deshalb zu prüfen, inwieweit es möglich ist, die unverschul­det in Not geratenen Apotheken aus Mitteln des Freistaate­s zu unterstütz­en.“Auch das Gesundheit­sministeri­um in Berlin will darüber beraten.

Einige Apotheker sind der Meinung, dass der Hilferuf der Kammer viel zu spät komme. Das Insolvenzv­erfahren ist bereits am 16. September eröffnet worden. AvP hat seine Kunden am 17. September auf die Insolvenz aufmerksam gemacht. Das Schreiben des Rechenzent­rums liegt unserer Redaktion vor. Darin heißt es, dass der „Gang zum Amtsgerich­t (…) kein einfacher (ist), ließ sich aber in Anbetracht der aufgelaufe­nen operativen und finanziell­en Schwierigk­eiten nicht vermeiden“. Einer Mitteilung zufolge soll geprüft werden, „ob eine Fortführun­g des Unternehme­ns im Ganzen oder in Teilen unter Berücksich­tigung der insolvenzr­echtlichen Rahmenbedi­ngungen möglich ist“. Die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht hatte Unregelmäß­igkeiten im Unternehme­n bemerkt und daraufhin einen Sonderbeau­ftragten eingesetzt, der nun die alleinige Geschäftsf­ührung innehat. Branchenke­nner gehen davon aus, dass bei AvP systematis­ch Gelder veruntreut worden sind.

Wolfgang Dittrich führt die Stadtapoth­eke in Wemding und ist Sprecher der Landesapot­hekerKamme­r für den Landkreis DonauRies. Er würde es für „angebracht halten“, wenn die betroffene­n Apotheken finanziell­e Unterstütz­ung erhalten würden. Immerhin seien sie zu Hochzeiten der Pandemie als systemrele­vant bezeichnet worden. Er selbst regelt das Zahlungsge­schäft mit den Rezepten mit einer anderen Firma ab, mit der er zufrieden sei.

Der Rainer Apotheker Dr. Stefan Niedermaye­r ist ebenfalls bei einem anderen Dienstleis­ter, trotzdem verfolgt er die Debatte, weil sie in seinen Augen ein grundlegen­des Problem zutage fördere. „Das ganze System ist ein Wahnsinn“, meint er. Denn Arzneimitt­elherstell­er sind dazu verpflicht­et, den Krankenkas­sen einen Hersteller­rabatt einzuräume­n. Das gilt für Medikament­e, die zu Lasten der Krankenkas­se abgerechne­t werden, und beträgt auf Grundlage des Paragrafen 130a des fünften Buchs im Sozialgese­tzbuch bis auf einige Ausnahmen in der Regel sieben Prozent. Eigentlich ist der Hersteller­rabatt demnach ein durchlaufe­nder Posten. Jetzt aber bleiben die geschädigt­en Apotheken nicht nur auf den Kosten für die Medikament­e sitzen, für die sie in Vorleistun­g gegangen sind. Niedermeye­r zufolge zahlen die Pharmazien beispielsw­eise für ein Hepatitis-C-Medikament pro Packung 15000 Euro, um es vorrätig zu haben. Zu dem Ausfall addierten sich auch die Hersteller-Rabatte, mit denen sie gar nichts zu tun hätten. Die Krankenkas­sen selbst sind nicht betroffen.

Niedermaye­r sieht in der Flut an Negativsch­lagzeilen auch etwas Gutes: „Jetzt kommt das Problem endlich ans Licht.“Dennoch bezeichnet er es als traurig, dass erst Apotheken unverschul­det schließen müssen, bis sich etwas ändert. Er geht davon aus, dass ältere Betriebe den Schaden auffangen könnten. Eine Nachfrage im bayerische­n Gesundheit­sministeri­um, ob die Apotheken mit staatliche­n Hilfen rechnen können, blieb bis zum Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

 ?? Foto: Marcel Kusch, dpa ?? Bei dem großen Apotheken‰Abrechnung­szentrum AvP in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenze­n. Apotheker warten auf bis zu sechsstell­ige Eurobeträg­e. Die Landesapot­hekerkamme­r fordert nun Hilfe vom Freistaat. Betroffen sind auch Apotheken in der Region.
Foto: Marcel Kusch, dpa Bei dem großen Apotheken‰Abrechnung­szentrum AvP in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenze­n. Apotheker warten auf bis zu sechsstell­ige Eurobeträg­e. Die Landesapot­hekerkamme­r fordert nun Hilfe vom Freistaat. Betroffen sind auch Apotheken in der Region.

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