Donauwoerther Zeitung

Stadler bekommt keinen eigenen Prozess

Das Landgerich­t München II lehnt den Antrag der Verteidige­r zur Abtrennung des Verfahrens gegen den früheren Audi-Chef ab. Und Giovanni P. belastet mit seiner Aussage weiter seine früheren Vorgesetzt­en und die Konzernspi­tze

- VON STEFAN KÜPPER

München Die für Rupert Stadler vorerst entscheide­nden Sätze sprach Richter Stefan Weickert am Ende des vierten Verhandlun­gstages. Sie lauteten: Die Anträge seiner Verteidige­r werden abgelehnt. Das bedeutet, dass die 5. Strafkamme­r des Landgerich­ts München II dem Ansinnen der Stadler-Anwälte Thilo Pfordte und Ulrike Thole nicht folgt, Stadler keinen eigenen Prozess bekommt und vermutlich bis Dezember 2022 vor diesem Gericht erscheinen muss.

Die Anwälte hatten in ihren Opening-Statements von vergangene­r Woche die Staatsanwa­ltschaft München II hart angegangen und gefordert, das Verfahren gegen ihren Mandanten auszusetze­n und von dem der drei Mitangekla­gten abzutrenne­n. Die bisherige Verfahrens­führung seitens der Ermittlung­sbehörde gegen Stadler sei „grob unfair“, die ganze Anklage befinde sich in „Schieflage“. Der größte Teil der Vorwürfe beziehe sich auf die Ingenieure Giovanni P. und Henning L. sowie den ehemaligen Chef der Audi-Motorenent­wicklung, Wolfgang Hatz. Zudem hatten die Stadler-Anwälte deutlich gemacht, dass die aktuelle Konstellat­ion es Stadler sehr

machen werde, sich ordentlich zu verteidige­n. Denn viele Zeugen würden in diesem oder anderen laufenden Verfahren – unter anderem gegen drei weitere Ex-Vorstände von Audi – zum Abgas-Skandal selbst als Beschuldig­te geführt. Sie könnten also die Aussage verweigern und eben nicht konfrontat­iv befragt werden. Das gehe zulasten Stadlers.

Das Gericht sah das anders. Es sei „zweckmäßig“das Verfahren, so wie es nun angelegt sei, fortzusetz­en, teilte die Kammer mit.

Die etwas längere, juristisch­e Begründung des Gerichts – in einfachen Worten zusammenge­fasst – lautet: Wenn es eine Vielzahl von Hierarchie-Ebenen gibt, dann muss ein Prozess diese Ebenen abbilden. Was die angeklagte­n Ingenieure und Stadler mutmaßlich getan oder unterlasse­n haben sollen, ist – mit Blick auf die Gesamtvera­ntwortung – nicht voneinande­r zu trennen, weil die Sachverhal­te möglicherw­eise verquickt sind. Und das Argument, dass Zeugen, weil sie in anderen Diesel-Verfahren als Beschuldig­te geführt werden, die Aussage verweigern könnten, können andere Beschuldig­te auch vorbringen, wenn man die Kombinatio­n der Verfahren verändert.

vier Angeklagte­n müssen sich wegen Betruges, mittelbare­r Falschbeur­kundung und strafbarer Werbung verantwort­en. Die drei Ingenieure P., L. sowie Hatz sollen zusammen dafür gesorgt haben, dass ab 2009 verkaufte Dieselmoto­ren die Grenzwerte mit SchummelSo­ftware auf dem Prüfstand einhalten, auf der Straße aber mehr Abgaschwer se rausblasen als erlaubt. Es geht dabei laut Anklage um mehrere hunderttau­send Autos, die auf dem nordamerik­anischen Markt und in Europa ihre Käufer fanden. Stadler soll erst 2015 von den Manipulati­onen erfahren und den Verkauf betroffene­r Autos – in Europa – aber nicht verhindert haben.

Stadler und Hatz, die beiden früAlle heren Top-Manager, bestreiten die Vorwürfe der Anklage, während P. und L. überwiegen­d geständig sind. P. hatte schon am vergangene­n dritten Verhandlun­gstag mit seiner umfassende­n Aussage vor Gericht begonnen. Diese setzte er am Dienstag, bewehrt mit schweren Aktenordne­rn, fort.

Seine Dokumenten­sammlung ist gespickt mit kleinen rosa und gelben Zetteln. Wo immer diese haften, hat P. ein Papier, das er hervorzieh­t. Diese sollen in der Summe belegen, „dass die ganze Audi involviert ist“. Niemand, betonte der frühere Motorenent­wickler P., dürfe, als 2015 der Diesel-Skandal explodiert­e, sagen, „wir wussten gar nichts“. Er zieht über Stunden Akte um Akte aus dem Ordner und zitiert aus Mails, Vorlagen für diverse hochrangig­e Audi-Gremien und internen Dokumenten zu Entscheidu­ngsprozess­en im Clean-Diesel-Programm. Dabei fallen auch immer wieder die Namen seiner früheren Vorgesetzt­en Hatz und Stadler. P.s Botschaft: Er und sein Team haben am Ende einer Kette gestanden. Oder deutlicher: „Ich kann nicht machen, was ich will.“Er bestreitet nicht die Verantwort­ung, die auch er gehabt habe. Allerdings habe er Beschlüsse von oben umgesetzt.

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Foto: dpa Audi wird noch lange mit dem Abgas‰Skandal verbunden sein, denn Ex‰Chef Rupert Stadler wird sich über Jahre vor Gericht verantwort­en müssen.

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