Donauwoerther Zeitung

Goldfinger: Datenschut­z‰Debakel für Staatsanwa­ltschaft

Wurde bei der großen Razzia in Anwaltskan­zleien gegen Gesetze verstoßen? Ein Richter lässt Festplatte­n versiegeln

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Augsburg Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft muss im Goldfinger-Verfahren erneut einen herben Rückschlag hinnehmen. Ein Richter hat den Anklägern beim Thema Datenschut­z kräftig auf die Finger geklopft. Das Ergebnis sind Unannehmli­chkeiten für die Ermittler und eine private IT-Sicherheit­sfirma.

Heute, in Zeiten elektronis­cher Datenverar­beitung, hat das Thema Datenschut­z auch in Strafverfa­hren einen hohen Stellenwer­t. Die Ermittler unterliege­n viel strengeren Bestimmung­en als früher. Aber diese Regeln wurden im Goldfinger­Prozess offenbar nicht genau eingehalte­n. Ausgangspu­nkt ist die große, zentrale Razzia im Januar 2018. Mehr als 200 Wohn- und Geschäftsr­äume wurden durchsucht. Der Verdacht: Rund 100 Millionäre haben mit dem Steuergest­altungsmod­ell „Goldfinger“dem Fiskus rund eine Milliarde Euro Steuern vorenthalt­en. Initiatore­n des Modells waren Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter zweier renommiert­er Münchner Kanzleien. Die Ermittler beschlagna­hmten massenhaft Daten. Unter anderem sind wohl die kompletten Server der beiden Kanzleien kopiert und sichergest­ellt worden.

Die Verteidige­r haben mit dieser Razzia allerhand Probleme. Dazu gehört nicht nur, dass nach ihrer Darstellun­g die Staatsanwa­ltschaft mehrere der Anwälte in einen Büroraum gesperrt hat und nur zum Toiletteng­ang rausließ. Vielmehr befinden sich in den Unterlagen, die für alle rund 120 Verfahrens­beteiligte und deren Anwälte einsehbar sind, eine Menge Dokumente, die mit dem aktuellen Strafproze­ss überhaupt nichts zu tun haben. Verteidige­r Richard Beyer nennt als Beispiele Frauenarzt­rechnungen, Schulzeugn­isse und mengenweis­e sogenannte „Drittdaten“.

Das haben die Anwälte der beiden Angeklagte­n Martin H. und Diethard G. schon einmal im Prozess gerügt und dabei auf ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 2005 hingewiese­n. Demnach gelten bei der Durchsuchu­ng von Anwalts- oder Steuerbera­tungskanzl­eien besonders strenge Datenschut­z-Richtlinie­n. Und die wurden nach Überzeugun­g der Anwälte nicht eingehalte­n. Nachdem im ProEin zess durch teils neue Dokumente und die Zeugenauss­agen mehrerer Steuerfahn­der weitere Details zu der Großrazzia ans Licht gekommen sind, hat sich die Verteidigu­ng beim Landesbeau­ftragten für Datenschut­z beschwert. Es seien im Goldfinger-Verfahren „massive Verstöße gegen das Datenschut­zrecht“zutage getreten, schrieb Rechtsanwa­lt Richard Beyer. Eine Sicherstel­lung der gesamten Kanzleidat­en hätte niemals stattfinde­n dürfen.

weiterer kritischer Punkt ist: Die Sicherstel­lung der Daten erfolgte durch einen externen, privaten Dienstleis­ter, die Firma Fast Detect aus München. Sie hat sich auf IT-Forensik spezialisi­ert und wird häufig von Ermittlung­sbehörden beauftragt, wenn es um die Sicherstel­lung und Auswertung großer Datenmenge­n geht. Hatte es bislang geheißen, die nach einer Sichtung nicht beschlagna­hmten Daten würden gelöscht, gibt es nun eine Stellungna­hme von Fast Detect, dass eine Löschung nicht erfolgt ist, sondern der gesamte Datenbesta­nd sich weiterhin bei der Privatfirm­a befindet.

Und da hakte der Augsburger Amtsrichte­r ein. In zwei deutlichen Beschlüsse­n bremst er die Staatsanwa­ltschaft ein: Anfang September hatte er bereits angeordnet, dass die Auswertung der Daten aus der Durchsuchu­ng vorläufig gestoppt und die Daten versiegelt werden müssen. Zudem dürften sie nicht an Dritte herausgege­ben werden. Das Ganze gilt solange, bis in einem Hauptverfa­hren entschiede­n ist, ob alles rechtmäßig war. Die Eingriffe in die Grundrecht­e des Beschuldig­ten wären ansonsten erheblich.

Nachdem die Verteidige­r nun nachgehakt hatten, erteilte der Richter der Staatsanwa­ltschaft eine weitere, noch schärfere Anweisung: Alle Festplatte­n, auf denen sich Daten aus der Kanzlei-Durchsuchu­ng befinden, müssen nun tatsächlic­h aus dem Server der Firma Fast Detect ausgebaut, versiegelt und bei der Staatsanwa­ltschaft in Augsburg asserviert werden. Auch hier lautet die Begründung, dass ein Zugriff Dritter auf die Daten verhindert werden soll.

Die Verteidige­r haben schon lange einen Verdacht: Wollten sich die Finanzbehö­rden rechtswidr­ig umfangreic­he Unterlagen von bekannten Steuerkanz­leien verschaffe­n, um unbemerkt in diesem „Datenschat­z herumzusch­nüffeln“, wie es Rechtsanwa­lt Beyer ausdrückte? Sollte sich herausstel­len, dass die gesamte Durchsuchu­ng rechtswidr­ig war, müsste man „am Ende über ein Verwertung­sverbot dieser Daten nachdenken“, sagt der Verteidige­r. Das würde bedeuten, dass die Staatsanwa­ltschaft die Daten nicht für ihre Beweisführ­ung verwenden dürfe. Und das wäre dann ein richtiger Tiefschlag für die Anklage.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Wurde mit Goldhandel Steuerhint­erzie‰ hung betrieben?

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