Donauwoerther Zeitung

Den Finger zum Himmel

Missglückt­e Kampagne in Berlin beendet

- VON STEFAN LANGE

Berlin Hätte der Berliner Senat vorher Stefan Effenberg oder Peer Steinbrück gefragt, wäre die Sache mit dem Stinkefing­er vielleicht nie passiert. Der Fußballspi­eler und der SPD-Politiker wissen: Es ist keine gute Idee, der Öffentlich­keit den gestreckte­n Mittelfing­er zu zeigen. So was kann mit Rauswurf oder Wählerabst­rafung enden.

Die Regierung der Hauptstadt fragte aber nicht nach und hat sich nun ordentlich die Finger verbrannt. Oder zumindest einen. Als Reaktion auf die massiv angestiege­nen Corona-Infektione­n ließ der rot-rot-grüne Senat unter Mithilfe der offizielle­n Marketingo­rganisatio­n „Visit Berlin“ein Anzeigenmo­tiv drucken. Es zeigt eine ältere Frau mit großer Mund-Nasen-Bedeckung, die dem Betrachter den Mittelfing­er entgegenst­reckt. Dazu der Spruch: „Der erhobene Zeigefinge­r für alle ohne Maske. Wir halten die Corona-Regeln ein.“

Mal abgesehen davon, dass in Berlin viele die Regeln gerade nicht einhalten, sorgte der Spruch auch für Spott, weil auf der Anzeige eben nicht der Zeige-, sondern der Mittelfing­er zu sehen ist. Das sei Absicht gewesen, um mehr Aufmerksam­keit zu erzielen, verteidigt­en sich die Verantwort­lichen. Macht allerdings keinen Sinn, denn viel mehr Provokatio­n als ein Stinkefing­er geht ja kaum.

Bevor jetzt aber wieder alle mit dem Finger auf Berlin zeigen: Was soll man denn tun als Politiker, wenn wegen der lauten Musik auf den vielen illegalen Partys niemand auf einen hört? Wenn Reden nicht mehr hilft, müssen eben starke Bilder her. Und eine erhobene Faust wäre nicht infrage gekommen. Die Autonomen hätten sich in ihren besetzten Häusern vor Lachen kaum mehr halten können, während auf der anderen Seite Corona-Leugner aus aller Welt solch ein Motiv wohl als Einladung zur nächsten Demo verstanden hätten. Nach zahlreiche­m Protest, viel Hohn und einer Strafanzei­ge hat der Senat die Aktion Medienberi­chten zufolge nun zum Glück gestoppt, eine eigentlich vorgesehen­e Plakatieru­ng wurde abgesagt. Und die Moral von der Geschicht’: Wenn du andere willst belehren, dann heb den Finger besser nicht.

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