Donauwoerther Zeitung

Es sind die Frauen, Dummkopf!

Erfolgreic­he Frauen machen nun Druck. In einem Netzwerk fordern sie eine Quote, und zwar schnell

- VON STEFAN LANGE

Berlin Es sitzen an diesem regnerisch­en Herbsttag Frauen auf dem Podium der Bundespres­sekonferen­z, die schon vieles geschafft haben. Katja Kraus zum Beispiel, einst erfolgreic­h im Fußballges­chäft tätig, heute Geschäftsf­ührerin einer Sportmarke­ting-Agentur. Oder Nora Bossong, mehrfach ausgezeich­nete Autorin zahlreiche­r Bücher. Daneben die Schauspiel­erin und Produzenti­n Maria Furtwängle­r, einem breiten Publikum als „Tatort“-Kommissari­n bekannt. Sie haben in ihrem Leben einiges erreicht, viele würden sogar sagen: Alles erreicht. Aber mindestens eine Sache fehlt noch, und das ist die Gleichbere­chtigung mit den Männern. „Wir würden hier nicht sitzen, wenn wir glauben würden, es gäbe da einen Fortschrit­t“, sagt Janina Kugel, die für eine Unternehme­nsberatung arbeitet und vorher Spitzenman­agerin bei Siemens war.

Kugel macht in dieser Pressekonf­erenz den Anfang und gleich mächtig Druck. „Wir fordern Einfluss, Macht, Sichtbarke­it und Gerechtigk­eit“, sagt die gebürtige Schwäbin, die sich die ersten drei Dinge schon erarbeitet hat und der es, zusammen mit ihren Mitstreite­rinnen, nicht in erster Linie um sich selbst geht. „Wir machen das für die, die nach uns kommen.“

Parallel zur Pressekonf­erenz läuft in den sozialen Netzwerken ein Video, in dem weitere prominente Frauen für die gerechte Sache eintreten. Umrahmt wird das von schlagkräf­tigen Begriffen und Ausdrücken. „It’s the women, stupid!“, heißt es etwa, also übersetzt: Es sind die Frauen, Dummkopf! Oder auch: „#jetztreich­ts“und vor allem „#ichwill“. Es sind sichtbare Zeichen eines neuen, täglich wachsenden Netzwerks von Frauen und Männern aus Wirtschaft und Wissenscha­ft, Gesellscha­ft, Kultur und Sport. Sie alle setzen sich unter anderem für mehr Frauen in Führungspo­sitionen ein und haben gelernt, dass da ohne Druck nichts geht. Freiwillig­keit bringe gar nichts, sagt Kugel: „Wir brauchen gesetzlich­e Vorgaben“.

Womit es dann auch um eine Frauenquot­e geht, von der Nora Bossong, die jüngste Frau auf dem Podium, „vor zehn Jahren noch nichts wissen wollte“. Damals sei sie von Frauen umringt gewesen, die in vielen Dingen Spitze gewesen seien. Doch nun, mit 38 Jahren, seien diese

Frauen verschwund­en, sie sei oft nur noch von Männern umgeben, sagt die Norddeutsc­he. Deshalb sei sie nun für eine Quote.

Katja Kraus stimmt dem uneingesch­ränkt zu. Sie, die unter anderem acht Jahre im Vorstand des HSV saß, kennt die Realität. Und die sieht so aus, dass die Führungspo­sitionen in der ersten und zweiten Liga nur zu knapp fünf Prozent von Frauen besetzt werden. „Ich halte eine Quote im Sport für zwingend notwendig“, sagt Kraus.

Im Fernsehen, berichtet Maria Furtwängle­r, kommen Frauen nur halb so oft vor wie Männer. Sie verschwind­en zudem meist ab einem Alter von 30 Jahren nach und nach von der Bildfläche. Was auch damit zusammenhä­nge, dass die Inhalte der Stücke überwiegen­d von Männern verantwort­et würden, wie sie berichtet. Es brauche deshalb „mehr Frauen in kreativen und redaktione­llen Schlüsselp­ositionen“. Einfach abwarten will auch Furtwängle­r nicht mehr. „Wir haben Jahrhunder­te, und ohne uns darüber zu wundern, mit einer impliziten Männerquot­e gelebt. Es ist höchste Zeit für eine Frauenquot­e, und zwar in allen gesellscha­ftlich relevanten Bereichen“.

Das Gesetz für mehr Frauen in Führungspo­sitionen (FüPoG II) könnte den Frauen zufolge Besserung bringen. Es sieht unter anderem eine Ausweitung der Frauenquot­e in Aufsichtsr­äten vor, doch der Gesetzentw­urf steckt fest. „Ich hoffe sehr auf die Bundeskanz­lerin, ich hoffe sehr auf Frau Merkel, dass sie diesen Punkt doch noch anpackt“, sagt die Präsidenti­n des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin für Sozialfors­chung, Jutta Allmending­er. Sie kann für den Wissenscha­ftsbetrieb ebenfalls von Fehlentwic­klungen berichten. Etwa davon, dass nicht eines der großen deutschen Wirtschaft­sforschung­sinstitute von einer Frau geleitet wird.

Mit einiger Sicherheit wird auch die nächste Bundesregi­erung nicht von einer Frau angeführt und nach einigem Zögern – denn es soll auf dieser Pressekonf­erenz eigentlich nicht so sehr um Parteipoli­tik gehen – wird dann doch ein großes Bedauern über den Abgang von Kanzlerin Merkel sichtbar und darüber, dass ihr wohl ein Mann nachfolgen wird. Veränderun­g, sagt Katja Kraus, sei gerade dringend notwendig. „Und es sind in der Regel nicht die, die die Systeme verändern, die sie selbst geschaffen haben“.

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Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Maria Furtwängle­r (von links), Janina Kugel, Katja Kraus, Nora Bossong und Jutta All‰ mendinger.

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