Die Korrektheit und ihre Blüten
Liebe Zeitungslesende, wenn Sie diese Anrede vielleicht als ein wenig seltsam empfinden, so können Sie beruhigt sein: Sie bleiben natürlich weiter unsere lieben Leserinnen und Leser.
Aber in letzter Zeit darf man sich schon manchmal etwas wundern, wie die „Gender-Correctness“, also die Benennung von Menschen in Bezug auf deren Geschlecht, ihre Blüten treibt. Bei Vereinsversammlungen hat man sich schon beinahe – wenn auch mit Bauchweh – an die Anrede „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“gewöhnt, obwohl der oder die Vorsitzende (immerhin noch nicht „die Vorsitzendin“) eigentlich wissen sollte, dass „das Mitglied“von Haus aus neutral ist. Genau so falsch wäre die Bezeichnung „Vorständin“für die Leiterin eines Vereins, denn „der Vorstand“meint ja nicht eine einzelne Person, sondern die gesamte Leitung, bestehend aus Vorsitzenden und – ab hier jeweils mit „*innen“– Schriftführer, Kassier und Beisitzer.
Aber den Vogel abgeschossen hat kürzlich ein „Referierender“bei einer öffentlichen Diskussion , als er von „Angestelltinnen und Angestellten“sprach. Bei der Diskussion ging es um „Fahrradfahrende“– mit dem Begriff „Radler“wäre die Verwechslungsgefahr mit einem Getränk zu groß gewesen. Aber keine Angst: Wenn sich „Autofahrende“und „Fahrradfahrende“einmal zu nahe kommen sollten und es passiert ein Unfall, dann kommen mit Blaulicht und Tatü die „Feuerwehrdienstleistenden“und helfen. Und man glaubt es nicht: Die heißen laut Feuerwehrgesetz tatsächlich so.
Da denkt der Verfasser gerne an seine Zeit im Studenten(!)-Wohnheim zurück, in dem tatsächlich und ohne Extra-Beschriftung auch Studentinnen wohnten. Ob es heute im „Studierendenwohnheim“auch Damen gibt? Viele von denen haben übrigens ihr Studium mit einer Lehramtsprüfung abgeschlossen – kein Wunder, wenn man heute über „Lehrer(!)mangel“klagt, weil damals noch keine „LehrerInnen“oder „Lehrer*innen“ausgebildet wurden. Und wer sich jetzt gar nicht mehr auskennt, dem hilft vielleicht ein Stoßgebet zum Heiligen Sankt Gendrian.