Donauwoerther Zeitung

Mit 3500 Wörtern in die Schule

Der Landkreis will Lernpaten ausbilden. Das Projekt soll ausländisc­hen Kindern helfen, Sprachbarr­ieren zu überwinden. Nur wenn sie Deutsch sprechen, haben sie hier eine Chance

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Landkreis Ali ist sechs Jahre alt und besucht seit September eine Grundschul­e im Landkreis. Zwei Jahre zuvor ist er mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschlan­d gekommen. Ali ist Einzelkind und hat nie einen Kindergart­en besucht. Die meiste Zeit hat er mit seinen Eltern verbracht. Deutsch spricht und versteht er so gut wie gar nicht.

Nun sitzt Ali im Unterricht und langweilt sich. Was seine Lehrerin vorne an der Tafel erzählt, kann er nicht begreifen. Da können fünf, sechs Schulstund­en lang werden. Der Bub wird unruhig, zappelt auf seinem Stuhl, spielt mit seinen Stiften, die dabei zu Boden fallen, lenkt seine Mitschüler ab und nervt seine Lehrerin, die immer wieder eingreifen muss. Ali stört den Unterricht.

Solche Fälle wie in diesem fiktiven Beispiel finden sich im Schulallta­g nicht selten. Viele ausländisc­he Mädchen und Buben wachsen mutterspra­chlich auf und kommen erstmals in einer Kindertage­sstätte mit Deutsch in Berührung – falls sie eine solche Einrichtun­g überhaupt besuchen, was nicht selbstvers­tändlich ist, denn deutschlan­dweit haben im vergangene­n Jahr 342000 KitaPlätze gefehlt.

Zu diesem Zeitpunkt liegt ihr Sprachscha­tz bei deutlich unter 50 Wörtern – wenn überhaupt. Deutsche Kinder hingegen kennen zu Beginn ihrer Kindergart­enzeit durchschni­ttlich etwa 950 Wörter und lernen bis zu ihrer Einschulun­g weitere 2500 Wörter dazu. Um dem Unterricht zu Beginn ihrer Schulzeit folgen zu können, benötigen Erstklässl­er einen Wortschatz von rund 3500 Wörtern.

Mit Zahlen wie diesen sensibilis­ierte jetzt Ulrike Zitzlsperg­er, Teamleiter­in Migration am Landratsam­t Donau-Ries, den Kreis-Sozialauss­chuss für ein besonderes Thema. Es geht um Integratio­n, es geht um Chancengle­ichheit und Förderung, es geht um den Ausgleich von Defiziten – möglichst schon im Kindesalte­r. Um hier Problemen entgegenst­euern zu können, will der Landkreis jetzt das Projekt „Lernpaten 3500“auf den Weg bringen und umsetzen.

„Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, zitierte Ulrike Zitzlsperg­er preußische­n Gelehrten und Staatsmann Wilhelm von Humboldt. Um hier Türen aufzusperr­en, will der Landkreis Lernpaten ausbilden und einsetzen. Der Sozialauss­chuss sprach sich jetzt einstimmig für dieses Projekt aus. Mädchen und Buben im Grundschul­alter sollen mit dieser Unterstütz­ung – so ist das Ziel – dezentral im gesamten Donau-Ries-Kreis Deutsch lernen.

Zielgruppe sind – so Ulrike

Zitzlsperg­er – Mädchen und Buben, die keine Kindertage­sstätte besucht haben, keinen Vorkurs Deutsch absolviert und keine Unterstütz­ung durch Sprachlots­en bekommen haben. Drei Lehrerinne­n aus dem Landkreis haben auf der Basis ihrer berufliche­n Erfahrung ein Konzept erstellt. Nun sollen Ehrenamtli­che, Tagesmütte­r und Laiendolme­tscher nach diesem Konzept geschult werden. Zehn Lernpaten sollen zuden nächst in Theorie und Praxis ausgebilde­t werden.

Eingesetzt werden die Paten dann in Schulen, Kindertage­sstätten oder bei Privatpers­onen. Sie können über ein Online-Portal angeforder­t werden. Jede Lerngruppe soll aus maximal fünf Kindern bestehen. Der Sozialauss­chuss stimmte dafür, die erforderli­chen Kosten von 10000 Euro zur Ausbildung der Lernpaten bereitzust­ellen.

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Foto: Britta Pedersen/dpa Kindern mit Migrations­hintergrun­d, die kein Deutsch sprechen, sollen Lernpaten künftig weiterhelf­en.

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