Mit 3500 Wörtern in die Schule
Der Landkreis will Lernpaten ausbilden. Das Projekt soll ausländischen Kindern helfen, Sprachbarrieren zu überwinden. Nur wenn sie Deutsch sprechen, haben sie hier eine Chance
Landkreis Ali ist sechs Jahre alt und besucht seit September eine Grundschule im Landkreis. Zwei Jahre zuvor ist er mit seinen Eltern aus Syrien nach Deutschland gekommen. Ali ist Einzelkind und hat nie einen Kindergarten besucht. Die meiste Zeit hat er mit seinen Eltern verbracht. Deutsch spricht und versteht er so gut wie gar nicht.
Nun sitzt Ali im Unterricht und langweilt sich. Was seine Lehrerin vorne an der Tafel erzählt, kann er nicht begreifen. Da können fünf, sechs Schulstunden lang werden. Der Bub wird unruhig, zappelt auf seinem Stuhl, spielt mit seinen Stiften, die dabei zu Boden fallen, lenkt seine Mitschüler ab und nervt seine Lehrerin, die immer wieder eingreifen muss. Ali stört den Unterricht.
Solche Fälle wie in diesem fiktiven Beispiel finden sich im Schulalltag nicht selten. Viele ausländische Mädchen und Buben wachsen muttersprachlich auf und kommen erstmals in einer Kindertagesstätte mit Deutsch in Berührung – falls sie eine solche Einrichtung überhaupt besuchen, was nicht selbstverständlich ist, denn deutschlandweit haben im vergangenen Jahr 342000 KitaPlätze gefehlt.
Zu diesem Zeitpunkt liegt ihr Sprachschatz bei deutlich unter 50 Wörtern – wenn überhaupt. Deutsche Kinder hingegen kennen zu Beginn ihrer Kindergartenzeit durchschnittlich etwa 950 Wörter und lernen bis zu ihrer Einschulung weitere 2500 Wörter dazu. Um dem Unterricht zu Beginn ihrer Schulzeit folgen zu können, benötigen Erstklässler einen Wortschatz von rund 3500 Wörtern.
Mit Zahlen wie diesen sensibilisierte jetzt Ulrike Zitzlsperger, Teamleiterin Migration am Landratsamt Donau-Ries, den Kreis-Sozialausschuss für ein besonderes Thema. Es geht um Integration, es geht um Chancengleichheit und Förderung, es geht um den Ausgleich von Defiziten – möglichst schon im Kindesalter. Um hier Problemen entgegensteuern zu können, will der Landkreis jetzt das Projekt „Lernpaten 3500“auf den Weg bringen und umsetzen.
„Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, zitierte Ulrike Zitzlsperger preußischen Gelehrten und Staatsmann Wilhelm von Humboldt. Um hier Türen aufzusperren, will der Landkreis Lernpaten ausbilden und einsetzen. Der Sozialausschuss sprach sich jetzt einstimmig für dieses Projekt aus. Mädchen und Buben im Grundschulalter sollen mit dieser Unterstützung – so ist das Ziel – dezentral im gesamten Donau-Ries-Kreis Deutsch lernen.
Zielgruppe sind – so Ulrike
Zitzlsperger – Mädchen und Buben, die keine Kindertagesstätte besucht haben, keinen Vorkurs Deutsch absolviert und keine Unterstützung durch Sprachlotsen bekommen haben. Drei Lehrerinnen aus dem Landkreis haben auf der Basis ihrer beruflichen Erfahrung ein Konzept erstellt. Nun sollen Ehrenamtliche, Tagesmütter und Laiendolmetscher nach diesem Konzept geschult werden. Zehn Lernpaten sollen zuden nächst in Theorie und Praxis ausgebildet werden.
Eingesetzt werden die Paten dann in Schulen, Kindertagesstätten oder bei Privatpersonen. Sie können über ein Online-Portal angefordert werden. Jede Lerngruppe soll aus maximal fünf Kindern bestehen. Der Sozialausschuss stimmte dafür, die erforderlichen Kosten von 10000 Euro zur Ausbildung der Lernpaten bereitzustellen.