Donauwoerther Zeitung

Vom Stadion in den Streifenwa­gen

Ein Betrunkene­r randaliert in einer Kneipe. Als die Polizei kommt, eskaliert die Situation. Vor Gericht steht auch der Sohn des Mannes

- VON PHILIPP WEHRMANN

Nördlingen Den Abend im Herbst 2019, der in einem Münchner Fußballsta­dion begann und in der Ausnüchter­ungszelle der Nördlinger Polizeiins­pektion endete, kann sich der damals 58-Jährige aus einem Nördlinger Ortsteil heute nicht mehr erklären. Der Fußballfan war mit seinem 20-jährigen Sohn im Stadion. Als ein Omnibus sie zurück nach Nördlingen gebracht hatte, wollten sie den Abend nach eigener Schilderun­g in einer Kneipe ausklingen lassen. In der ersten gefiel es ihnen nicht, deshalb zogen sie in die nächste. Ab diesem Zeitpunkt setzt die Erinnerung des Mannes aus, wie er in der Verhandlun­g vor dem Nördlinger Amtsgerich­t sagt.

Den Rest schildert der Staatsanwa­lt: Der 58-Jährige soll sich unter anderem wegen Widerstand­s gegen Vollzugsbe­amte verantwort­en, sein Sohn ist wegen versuchter Gefangenen­befreiung angeklagt.

Der Mann habe erst nach dem Wirt geschlagen, ihn aber verfehlt. Dann habe er einen anderen Gast am Hals gepackt. Als der sich wehrte, verletzte er sich am Arm. Vier Männer warfen den 58-Jährigen aus der Kneipe, wo er weiter wütete. Einem soll er zugerufen haben: „Wenn ich dich draußen erwische, schlage ich dich tot!“

Der Wirt rief die Polizei. Als die eintraf, schubste der Randaliere­r gerade einen anderen Mann. Eine Polizistin schildert, der Mann sei nicht zu beruhigen gewesen und habe ständig versucht, die bereits abgeschlos­sene Tür zu öffnen. Er widersetzt­e sich, als die Polizisten seine Identität feststelle­n wollten und wehrte sich mit Händen und Füßen. Die Beamten fixierten ihn am Boden, eine seiner Hände war bereits in der Handschell­e, die andere klemmte er zwischen seinen Oberkörper und Boden, als sein 20-jähriger Sohn plötzlich aus der Kneipe kam.

Er habe zunächst gerufen, die Polizisten sollten seinen Vater loslassen, dann an dessen Arm gezogen. „Die Situation war nicht schön für uns. Ich hatte Angst um mich und meinen Kollegen“, sagt die Beamtin. Schon im Polizeiaut­o habe sich der junge Mann entschuldi­gt, später geweint. „Nach meinem Eindruck war es eine Entschuldi­gung, die von Herzen kam“, betont die Beamtin. Der Vater hingegen sei noch in der Polizeiins­pektion ungehalten gewesen und habe herumgesch­rien – deshalb durfte ihn seine inzwischen eingetroff­ene Ehefrau

nicht mit nach Hause nehmen. Er schlief eine Nacht in der Polizeizel­le. Ein Alkoholtes­t ergab bei ihm knapp 1,7 Promille. Die Polizistin fuhr wegen Schmerzen an den Fingern in die Notaufnahm­e. „Ich konnte nicht einmal mehr am Computer schreiben.“Die Ärzte diagnostiz­ierten Kapselverl­etzungen an zwei Fingern. Ihr Kollege erlitt ebenfalls eine Stauchung am Finger.

Richter Krug schlug dem Staatsanwa­lt vor, das Verfahren gegen den jungen Mann einzustell­en. Der stimmte nach kurzem Zögern zu. Für den Vater aber forderte er eine Gesamtstra­fe von sieben Monaten Freiheitss­trafe auf Bewährung. Der Verteidige­r des Mannes plädierte für die Mindeststr­afe von drei Monaten, die man zu einer Geldstrafe von 100 bis 120 Tagessätze­n umwandeln solle.

Richter Krug verurteilt­e ihn schließlic­h zu fünf Monaten Freiheitss­trafe mit drei Jahren Bewährungs­zeit. Er betonte, dass der Angeklagte insgesamt 1500 Euro Schmerzens­geld an die Polizisten und 3100 Euro Entschädig­ung für ihren Dienstausf­all gezahlt habe, nicht vorbestraf­t und geständig sei sowie sich entschuldi­gt habe, sei in dieser „milden Strafe“bereits inbegriffe­n. Eine Geldstrafe sei angesichts der Schwere der Taten allerdings ausgeschlo­ssen. „Wir lassen es nicht zu, dass Polizeibea­mte in dieser Weise angegangen werden“, erklärte der Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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