Kreis bekommt Schwabens ersten Erinnerungswald
Wenn ein Neugeborenes stirbt, bleiben die Eltern oft alleine mit ihrer Trauer zurück. Ein Erinnerungswald zwischen Wemding und Rudelstetten soll ihnen die Möglichkeit geben, mit dem traumatischen Erlebnis besser zu leben
Wenn ein Neugeborenes stirbt, bleiben die Eltern oft alleine mit ihrer Trauer zurück. Ein Erinnerungswald soll helfen.
Wemding/Alerheim Anna-Maria Böswald hat kurz nach der Geburt ihre beiden Buben verloren. Die Zwillinge sind Sternenkinder. Kinder, die den Himmel erreicht haben, noch bevor sie ein Leben führen durften. Für Böswald, ihren Mann Bernd und ihren heute bereits neun Jahre alten Sohn aber sind die beiden Kinder nicht vergessen. Im Gegenteil. Wenn sie heute von ihnen spricht – fast fünf Jahre nach dem traurigen Ereignis – muss sie gegen die Tränen ankämpfen.
Damals hat die Tapfheimerin am eigenen Leib gespürt, was der Verlust eines Kindes mit einem macht. „Nicht nur die Trauer um das verlorene Leben erschüttert einen“, sagt die 35-Jährige. „Das Umfeld kann auch sehr schlecht mit dem Tod eines Kindes umgehen. Das macht zusätzlich noch ziemlich einsam.“
Deshalb will Anna-Maria Böswald etwas tun. Für die Mütter, Väter und Familien der verstorbenen Kinder. Für ihre Chance, den Schicksalsschlag zu verarbeiten, und mit der Trauer und der Traurigkeit darüber umzugehen. Sie hat zusammen mit weiteren Betroffenen und Ehrenamtlichen deshalb den Verein Sternenkinder Schwaben gegründet. Anders als die bereits bestehenden, klassischen Gesprächskreise für betroffene Eltern bietet der Verein vor allem eine sogenannte Akutbe
Dafür hat die gelernte Erzieherin und Ergotherapeutin extra eine Ausbildung als Sternenkindbegleiterin absolviert.
Wenn klar ist, dass ein Baby es nicht schaffen wird zu leben, dann helfen die Ehrenamtlichen durch die ersten, schlimmsten Stunden. Sie bieten seelische Unterstützung zu Hause oder im Krankenhaus. Sie sorgen für Kleidung für die Babys, die oft so klein sind, dass es auf klassischen Wegen keine passende Kleidung oder Einschlagdecken zu kaufen gibt. „Für mich und meinen Mann ist es noch immer eine Belastung zu wissen, dass unsere Buben nackt beerdigt wurden. Das wollen wir den anderen Eltern ersparen“, sagt Böswald.
Der Verein vermittelt auf Wunsch einen Fotografen, der liebevolle Bilder des Kindes macht, und fertigt auf Wunsch einen 3-D-Fußabdruck – ein Stück, das man auch später noch in der Hand halten kann, wenn das Baby längst beerdigt ist. „Es geht darum, haltbare Erinnerungen zu schaffen. Denn das Optische verblasst. Der Schmerz aber nicht“, erklärt Böswald.
Der Verein Sternenkinder Schwaben ist noch jung. Wenige Monate ist er aktiv. Böswald knüpft aktuell Netzwerke zu Krankenhäusern, Hospizvereinen und Hebammen. „Es soll öffentlich bekannt werden, dass Eltern bei so einem
Unterstützung brauchen. Der Tod eines Kindes darf kein Tabuthema mehr sein“, sagt die engagierte Frau. Sie hat einen prominenten Unterstützer an ihrer Seite. Landrat Stefan Rößle ist vierfacher Vater, aber auch selbst Betroffener. Deshalb ist ihm ihr Schicksal, das sie vergangenes Jahr in der
erzählt hatte, sehr nahegegangen. Ihr Anliegen, für mehr Verständnis für trauernde Eltern zu werben, ist auch ihm ein Herzensbedürfnis. „Ich kann nachfühlen, was der Tod eines Neugeborenen mit den Eltern macht“, sagt Rößle.
Deshalb hat er bei der Vereinsgründung unterstützt, aber vor allem ein anderes Großprojekt auf den Weg gebracht: einen Erinnerungsgleitung.
Zeitung Donauwörther
wald. Das Grundstück, auf dem er entstehen soll, gehört dem Landkreis Donau-Ries. Auf der noch offenen Wiese zwischen Wemding und Rudelstetten nahe am Waldrand und nahe dem kreiseigenen Lehrgarten können betroffene Eltern für ihr verstorbenes Kind einen Obstbaum pflanzen lassen. Bewusst habe man eine Fläche gewählt, so Rößle, die nicht irgendwo versteckt liegt, sondern die Menschen, die vorbeifahren, hinschauen lassen. Der Landkreis übernimmt die Pflege der Bäume und der Streuobstwiese. Für die Eltern kostet die Pflanzung des Baumes einmalig 100 Euro.
Es ist der erste Erinnerungswald dieser Art in Schwaben und steht ElVerlust tern aus dem ganzen Bezirk offen. Ihnen soll einen Ort geschenkt werden, an dem ihre Trauer Platz hat und an dem sie zugleich Mut schöpfen können. Bis vor wenigen Jahren wurden die verstorbenen Neugeborenen schlicht im Krankenhaus entsorgt. Oft erfuhren die Eltern nicht einmal, ob es ein Bub oder ein Mädchen war. Ein persönlicher Abschied war nicht vorgesehen. In den vergangenen Jahren habe man da mehr Sensibilität entwickelt, doch die Eltern und auch das Krankenhaus seien mit der Situation oft überfordert, so Böswald. Sie wolle den Eltern helfen, einen Weg für ihre Trauer zu finden.
„Es ist uns verwehrt, unsere Kinder wachsen zu sehen. Aber wir können trotzdem etwas Bleibendes schaffen“, erklärt Anna-Maria Böswald. Der Baum sei eine Verbindung zwischen Erde und Himmel – eine Verbindung zum Kind, das nicht bei seinen Eltern sein kann. Bereits 14 Bäume seien reserviert, insgesamt 143 können auf dem rund zwei Hektar großen Areal stehen. Noch diesen Herbst werden die ersten Apfel- und Birnsetzlinge gepflanzt – um in den Himmel zu wachsen und den Eltern ein Stück Heilung zu geben.
Info
Wer Interesse an einer Beratung oder einem Sternchenbaum im Erinne rungswald hat, kann sich unter sternen kinderschwaben informieren.