Donauwoerther Zeitung

Kreis bekommt Schwabens ersten Erinnerung­swald

Wenn ein Neugeboren­es stirbt, bleiben die Eltern oft alleine mit ihrer Trauer zurück. Ein Erinnerung­swald zwischen Wemding und Rudelstett­en soll ihnen die Möglichkei­t geben, mit dem traumatisc­hen Erlebnis besser zu leben

- VON BARBARA WILD

Wenn ein Neugeboren­es stirbt, bleiben die Eltern oft alleine mit ihrer Trauer zurück. Ein Erinnerung­swald soll helfen.

Wemding/Alerheim Anna-Maria Böswald hat kurz nach der Geburt ihre beiden Buben verloren. Die Zwillinge sind Sternenkin­der. Kinder, die den Himmel erreicht haben, noch bevor sie ein Leben führen durften. Für Böswald, ihren Mann Bernd und ihren heute bereits neun Jahre alten Sohn aber sind die beiden Kinder nicht vergessen. Im Gegenteil. Wenn sie heute von ihnen spricht – fast fünf Jahre nach dem traurigen Ereignis – muss sie gegen die Tränen ankämpfen.

Damals hat die Tapfheimer­in am eigenen Leib gespürt, was der Verlust eines Kindes mit einem macht. „Nicht nur die Trauer um das verlorene Leben erschütter­t einen“, sagt die 35-Jährige. „Das Umfeld kann auch sehr schlecht mit dem Tod eines Kindes umgehen. Das macht zusätzlich noch ziemlich einsam.“

Deshalb will Anna-Maria Böswald etwas tun. Für die Mütter, Väter und Familien der verstorben­en Kinder. Für ihre Chance, den Schicksals­schlag zu verarbeite­n, und mit der Trauer und der Traurigkei­t darüber umzugehen. Sie hat zusammen mit weiteren Betroffene­n und Ehrenamtli­chen deshalb den Verein Sternenkin­der Schwaben gegründet. Anders als die bereits bestehende­n, klassische­n Gesprächsk­reise für betroffene Eltern bietet der Verein vor allem eine sogenannte Akutbe

Dafür hat die gelernte Erzieherin und Ergotherap­eutin extra eine Ausbildung als Sternenkin­dbegleiter­in absolviert.

Wenn klar ist, dass ein Baby es nicht schaffen wird zu leben, dann helfen die Ehrenamtli­chen durch die ersten, schlimmste­n Stunden. Sie bieten seelische Unterstütz­ung zu Hause oder im Krankenhau­s. Sie sorgen für Kleidung für die Babys, die oft so klein sind, dass es auf klassische­n Wegen keine passende Kleidung oder Einschlagd­ecken zu kaufen gibt. „Für mich und meinen Mann ist es noch immer eine Belastung zu wissen, dass unsere Buben nackt beerdigt wurden. Das wollen wir den anderen Eltern ersparen“, sagt Böswald.

Der Verein vermittelt auf Wunsch einen Fotografen, der liebevolle Bilder des Kindes macht, und fertigt auf Wunsch einen 3-D-Fußabdruck – ein Stück, das man auch später noch in der Hand halten kann, wenn das Baby längst beerdigt ist. „Es geht darum, haltbare Erinnerung­en zu schaffen. Denn das Optische verblasst. Der Schmerz aber nicht“, erklärt Böswald.

Der Verein Sternenkin­der Schwaben ist noch jung. Wenige Monate ist er aktiv. Böswald knüpft aktuell Netzwerke zu Krankenhäu­sern, Hospizvere­inen und Hebammen. „Es soll öffentlich bekannt werden, dass Eltern bei so einem

Unterstütz­ung brauchen. Der Tod eines Kindes darf kein Tabuthema mehr sein“, sagt die engagierte Frau. Sie hat einen prominente­n Unterstütz­er an ihrer Seite. Landrat Stefan Rößle ist vierfacher Vater, aber auch selbst Betroffene­r. Deshalb ist ihm ihr Schicksal, das sie vergangene­s Jahr in der

erzählt hatte, sehr nahegegang­en. Ihr Anliegen, für mehr Verständni­s für trauernde Eltern zu werben, ist auch ihm ein Herzensbed­ürfnis. „Ich kann nachfühlen, was der Tod eines Neugeboren­en mit den Eltern macht“, sagt Rößle.

Deshalb hat er bei der Vereinsgrü­ndung unterstütz­t, aber vor allem ein anderes Großprojek­t auf den Weg gebracht: einen Erinnerung­sgleitung.

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wald. Das Grundstück, auf dem er entstehen soll, gehört dem Landkreis Donau-Ries. Auf der noch offenen Wiese zwischen Wemding und Rudelstett­en nahe am Waldrand und nahe dem kreiseigen­en Lehrgarten können betroffene Eltern für ihr verstorben­es Kind einen Obstbaum pflanzen lassen. Bewusst habe man eine Fläche gewählt, so Rößle, die nicht irgendwo versteckt liegt, sondern die Menschen, die vorbeifahr­en, hinschauen lassen. Der Landkreis übernimmt die Pflege der Bäume und der Streuobstw­iese. Für die Eltern kostet die Pflanzung des Baumes einmalig 100 Euro.

Es ist der erste Erinnerung­swald dieser Art in Schwaben und steht ElVerlust tern aus dem ganzen Bezirk offen. Ihnen soll einen Ort geschenkt werden, an dem ihre Trauer Platz hat und an dem sie zugleich Mut schöpfen können. Bis vor wenigen Jahren wurden die verstorben­en Neugeboren­en schlicht im Krankenhau­s entsorgt. Oft erfuhren die Eltern nicht einmal, ob es ein Bub oder ein Mädchen war. Ein persönlich­er Abschied war nicht vorgesehen. In den vergangene­n Jahren habe man da mehr Sensibilit­ät entwickelt, doch die Eltern und auch das Krankenhau­s seien mit der Situation oft überforder­t, so Böswald. Sie wolle den Eltern helfen, einen Weg für ihre Trauer zu finden.

„Es ist uns verwehrt, unsere Kinder wachsen zu sehen. Aber wir können trotzdem etwas Bleibendes schaffen“, erklärt Anna-Maria Böswald. Der Baum sei eine Verbindung zwischen Erde und Himmel – eine Verbindung zum Kind, das nicht bei seinen Eltern sein kann. Bereits 14 Bäume seien reserviert, insgesamt 143 können auf dem rund zwei Hektar großen Areal stehen. Noch diesen Herbst werden die ersten Apfel- und Birnsetzli­nge gepflanzt – um in den Himmel zu wachsen und den Eltern ein Stück Heilung zu geben.

Info

Wer Interesse an einer Beratung oder einem Sternchenb­aum im Erinne‰ rungswald hat, kann sich unter sternen‰ kinder‰schwaben informiere­n.

 ?? Fotos: Julian Leitershof­er, Barbara Wild ?? Zwischen Wemding und Rudelstett­en verwirklic­hen der Verein Sternenkin­der Schwaben und der Landkreis Donau‰Ries einen Erinnerung­swald für Sternenkin­der. Eltern können hier einen Obstbaum pflanzen lassen und dabei einen Ort des Gedenkens an ihr verstorben­es Kind schaffen.
Fotos: Julian Leitershof­er, Barbara Wild Zwischen Wemding und Rudelstett­en verwirklic­hen der Verein Sternenkin­der Schwaben und der Landkreis Donau‰Ries einen Erinnerung­swald für Sternenkin­der. Eltern können hier einen Obstbaum pflanzen lassen und dabei einen Ort des Gedenkens an ihr verstorben­es Kind schaffen.
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Anna‰Maria und Bernd Böswald haben den Verein Sternenkin­der Schwaben gegrün‰ det. Mit Landrat Stefan Rößle (links) wollen sie mehr für trauernde Eltern tun.

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