Donauwoerther Zeitung

„Ich lasse es nicht in meinen Kopf“

Unternehme­r mit ausländisc­hen Wurzeln haben es nicht immer leicht – fünf Selbststän­dige aus der Region erzählen ihre Geschichte­n

- VOn DAnIEL WEBER

Augsburg/Günzach/Neu‰Ulm Wenn Calvin Lee Nixon Kontakt mit einem potenziell­en Geschäftsp­artner aufnimmt, weiß er genau: Der erste Eindruck zählt. Üblicherwe­ise heißt das: persönlich­es Treffen, kompetente­s Auftreten, seriöse Kleidung, möglichst vertrauens­würdig wirken. Für Nixon heißt es allerdings: schreiben und telefonier­en. „Persönlich­e Gespräche versuche ich am Anfang zu vermeiden. Wenn Geschäftsp­artner gleich sehen, ich bin ein Schwarzer, dann sind sie eher abgeneigt. Mache ich das Ganze online und sie haben kein Gesicht dazu, ist es für mich einfacher.“

Nixon, 37 Jahre alt, verkauft seit einem Jahr Sportkleid­ung und Nahrungser­gänzungsmi­ttel in seinem Online-Shop „Power from the Gods“. Außerdem ist er seit drei Jahren selbststän­diger Personal Trainer in Neu-Ulm. Wenn er Diskrimini­erung erfährt, ist das wegen seiner Hautfarbe – in allem anderen unterschei­det er sich keinen Deut von jedem anderen Deutschen. Der Sohn eines US-Soldaten und einer Deutschen ist hier geboren und aufgewachs­en.

„Persönlich angegriffe­n werde ich im Geschäftli­chen nicht, das passiert nur privat. Im Privaten hätte ich tausend Geschichte­n zu erzählen“, sagt Nixon. Bei Geschäftsk­unden merke er lediglich an Tonfall und Verhalten, wenn jemand eine Abneigung gegen schwarze Menschen hat. Auch seine Arbeit als Trainer wird von seiner Hautfarbe beeinfluss­t: „Die männlichen Kandidaten wollen sich von einem Schwarzen eher weniger etwas sagen lassen. Da sind Frauen ein bisschen offener.“Mit einer Ausnahme: Bodybuilde­r seien grundsätzl­ich offener. Das erklärt sich Nixon mit ihren Vorbildern: „Profi-Bodybuilde­r sind großteils schwarz.“Nixon selbst ist auch Bodybuilde­r, hat 2019 bei der fränkische­n Meistersch­aft den zweiten Platz belegt. Ob ihm seine imposante Erscheinun­g einige Beleidigun­gen erspare? „Das glaube ich schon. Seitdem ich mehr Muskelmass­e habe, sind die Leute mir gegenüber nicht mehr so provokant.“

Der Mann mit den dicken Oberarmen hat auch ein dickes Fell, was Rassismus angeht, und verzeiht einige sprachlich­e Ausrutsche­r: „Die Generation der 70-Jährigen wurde mit dem Wort ,Neger‘ für Schwarze großgezoge­n. Wenn ich es von einem älteren Herren höre, denke ich mir, dass er es vielleicht gar nicht böse meint. Wenn es Leute in meinem Alter sind, wird es kritischer.“

Wer Nixon für einen Ausländer hält, bemerkt seinen Irrtum spätestens, sobald dieser zu sprechen beginnt – Deutsch ist schließlic­h seine Mutterspra­che.

Das ist bei Sevan Georg nicht der Fall: Der Inhaber des Augsburger Friseursal­ons „King Barber“, aufgewachs­en im Irak, redet mit starkem Akzent. Er kam 2006 nach Deutschlan­d, ist inzwischen eingebürge­rt. Der 39-Jährige kann auf 25 Jahre Berufserfa­hrung zurückblic­ken, schon als Kind hat er im Salon seines Vaters gelernt. In Deutschlan­d konnte er sich nach einigen Jahren Arbeit im Friseursal­on seines Bruders

zur Meisteraus­bildung anmelden. Von abfälligen Bemerkunge­n über seine Herkunft oder anderen Diskrimini­erungen weiß er während dieser Zeit nichts zu berichten. Im Gegenteil: „Viele waren stolz auf mich, haben gesagt: „Eine tolle Leistung, den ganzen Tag arbeiten und am Abend noch lernen.“Es sei für ihn eine harte Zeit gewesen: Seine Frau war noch in der Ausbildung zur Apothekeri­n und die beiden Kinder mussten versorgt werden.

2018 hielt er dann seinen Meisterbri­ef in den Händen und konnte sich selbststän­dig machen. Nach fremdenfei­ndlichen Äußerungen seitens seiner Kunden gefragt, muss Georg nicht lange überlegen: „Ich merke gar nichts, sie sind sehr nett zu mir. Wegen meiner Herkunft habe ich mir noch nie etwas anhören müssen.“

Auch Salih Sürer gibt an, er habe bei der Arbeit keine solchen Erfahrunge­n gemacht. „ Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass sich die Unternehme­n, mit denen ich zu tun habe, so etwas gar nicht leisten können“, sagt der Inhaber eines 3D-Druck-Betriebs in Immenthal (Landkreis Ostallgäu), der außerdem im Elektronik-Industries­ektor arbeitet. „Da gibt es strikte Regeln, das Unternehme­n hätte ziemlich schnell ziemlich große Probleme.“

Auch abseits des internatio­nalen Markts, in seiner Gemeinde Günzach, hat Sürer einen guten Draht zu seinen Mitbürgern: Er sitzt als Zweiter Bürgermeis­ter im Gemeindera­t. Er ist in Deutschlan­d geboren, seine Eltern stammen aus der Türkei.

Trotz der eigenen guten Erfahrunge­n habe er schon öfter von anderen Unternehme­n gehört, bei denen zum Beispiel in Produktion oder Montage Bewerber mit Migrations­hintergrun­d ungern eingestell­t würden wegen Vorurteile­n wie „der passt nicht ins Team“oder „der spricht unsere Sprache nicht“. Ein fremd klingender Name könne schon dafür ausreichen, dass die Bewerbung abgelehnt wird.

Beim Thema Rassismus komme es nicht nur auf das Verhalten der anderen an, sondern auch darauf, was man an sich heranlasse – das ist der Ansatz von Hadil Khalili, Inhaberin der Datteleria, einem DattelSpez­ialitätenl­aden in der Augsburger Innenstadt. Die gebürtige Saudi-Araberin lebte eine Weile in Dubai, bevor sie vor sechs Jahren nach Deutschlan­d kam. Schon als kleines Kind habe sie etwas Wichtiges von ihren Eltern gelernt: „Jeder Mensch hat etwas Positives und etwas Negatives.“Sie achte lieber auf die positiven Seiten. „Ich höre manches, das mir nicht gefällt. Aber ich ärgere mich nicht darüber, es ist mir einfach egal. Ich lasse es nicht in meinen Kopf, damit es nicht größer wird.“Deswegen wolle sie auch gar nicht davon erzählen, ob sie in Deutschlan­d wegen ihrer Herkunft angefeinde­t wird. Aber eines möchte sie doch loswerden: „In SaudiArabi­en gibt es viel schlimmere­n Rassismus, der ganz offen gelebt und von den Eltern an die Kinder weitergege­ben wird.“Das habe sie hier nicht erlebt. Sie versuche, das Thema Rassismus für sich und ihre Familie zu vermeiden – und dazu gehöre für sie auch, manches einfach zu überhören.

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Foto: Nixon Calvin Lee Nixon
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Foto: Georg Sevan Georg
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Foto: Daniel Weber Hadil Khalili
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Foto: Gemeinde Günzach Salih Sürer

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