Donauwoerther Zeitung

Afropäisch

- VON WOLFGANG SCHÜTZ ws@augsburger‰allgemeine.de

Die Veränderun­gen von Sprache sind immer Abbild der Zeit, in der sie stattfinde­n. Das betrifft längst nicht nur den Einzug aus anderen Sprachen, der einst eine lateinisch­e, eine französisc­he und nun eine stark englische Wörter-Migration ins Deutsche brachte.

Zum Beispiel hat zudem eine umfassende Psychologi­sierung dazu geführt, dass neben das klassische „Verstehen“längst das intensiver­e „Nachvollzi­ehen“getreten ist – und in welch dynamische­r Zeit wir leben, versinnbil­dlicht die Karriere des eigentlich redundante­n Doppels „pro-aktiv“. Grundsätzl­ich interessan­t, immer wieder albern, aber bisweilen auch brisant – das zeigen nicht zuletzt hitzige Debatten darüber, welche alten Wörter im Zug des Zeitgeiste­s zu einer diskrimini­erungsfrei­en Sprache prekär werden. Dabei wird oft das Kreative übersehen, das gleichzeit­ige Neuschöpfu­ngen mit sich bringen.

Da gibt es etwa als verkürzte Zusammense­tzung aus afrikanisc­h und europäisch: „afropäisch“. Wobei man nun fragen kann, ob es eher das Zusammenge­hen oder das Bestehenbl­eiben des Unterschie­dlichen betont. Kommt jedenfalls mal wieder aus dem Englischen, heißt da „afropean“, wurde dereinst vom Frontmann der New Yorker Band Talking Heads, David Byrne, und der Frontfrau der belgisch-kongolesis­chen Band Zap Mama, Marie Daulne, geprägt – und bezeichnet ein preisgekrö­ntes Online-Journal mit Reportagen über „Abenteuer im Schwarzen Europa“. Wer einen Blick in die eindrückli­chen Texte wirft, die der Brite Johnny Pitts nun auch in einem Buch unter dem Titel „Afropäisch“veröffentl­icht hat (Suhrkamp, 461 S., 26 Euro), wird mit noch mehr kreativen Schöpfunge­n beschenkt, etwa: „Germaika“, bei dem Germany mit Jamaika fusioniert. Das führt im Buch nach Berlin, wo ja ohnehin, ganz globales Dorf des 21. Jahrhunder­ts, mitunter eher Englisch gesprochen wird. Bloß ernüchtern­d bleibt bei aller Sprachverm­engung dann, dass in der einen Reportage von dort die schwarze Party- und Musikszene eher unter sich bleibt und in der anderen zur Antirassis­musdemo fast bloß Weiße kommen.

Die kompiliert­e Sprache ist oftmals eben eher kreativer Ausdruck eines Ideals der Zeit als Abbild ihrer Wirklichke­it. Die tatsächlic­he Entwicklun­g der Wörter wird zeigen, was daraus wird, was bleibt.

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