Donauwoerther Zeitung

Mobbing wegen Corona

Ulmer Psychiater warnt vor psychische­n Folgen für Kinder

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Der Ulmer Professor Jörg Fegert sieht die Gefahr, dass mit dem Coronaviru­s infizierte Schüler in ihrer Klasse als Sündenböck­e abgestempe­lt werden. Eine solche Stigmatisi­erung könne zu einer erhebliche­n psychische­n Belastung durch Scham und Ausgrenzun­g führen.

Fegert ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie/Psychother­apie des Unikliniku­ms Ulm. Er empfiehlt Schulen, Eltern und Kinder möglichst nicht erst im Ernstfall über das Vorgehen im Fall von Corona-Infektione­n zu informiere­n. Lehrer könnten in Gesprächen deutlich machen, dass Schüler, die aus einer Quarantäne zurückkehr­en, ganz normal und ohne Schuldzuwe­isung in der Klasse aufgenomme­n werden müssen. Falls es zu Mobbing-Fällen komme, hätten Mitschüler einen größeren Einfluss als Lehrer und könnten gegen die Herabsetzu­ng einstehen.

Wenn Schüler angesichts der Corona-Krise psychische Probleme bekämen, sei das für Lehrer schwer zu erkennen. Kinder und Jugendlich­e könnten sich unter dem Vorwand von Erkältungs­symptomen leicht vor dem Schulbesuc­h drücken. Es sei wichtig, die Häufigkeit von Fehltagen im Auge zu behalten.

Zu Beginn des Lockdowns, berichtet Fegert, hätten manche Kinder und Jugendlich­e den Besuch in der Klinik aus Angst vor einer Ansteckung verschlepp­t – auch trotz zunehmende­r Lebensmüdi­gkeit. Inzwischen beobachte er auch, dass das Infektions­risiko Teil paranoider Vorstellun­gen werde. Etwa in Zwangsvors­tellungen in Bezug auf Händewasch­en.

Fegert kennt nach eigenen Angaben keine Studie, die einen Anstieg von Diagnosen wie Belastungs­störungen oder Traumafolg­estörungen im Zusammenha­ng mit Corona für Deutschlan­d zeigt. Durch seine internatio­nale Vernetzung bekomme er aber auch andere Einblicke. In Italien beispielsw­eise hätten viele Kinder Schuldgefü­hle gehabt, ihre später verstorben­en Großeltern womöglich bei Besuchen infiziert zu haben, erzählt er von Gesprächen mit Kollegen von dort. „Wir sollten die jetzige Situation nicht dramatisie­ren, gleichwohl aber aufmerksam auf Kinder und Jugendlich­e und ihre Bedürfniss­e achten“, folgert Fegert.

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Jörg Fegert

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