Donauwoerther Zeitung

Wo sich das Virus positiv auswirkt

Im Amateurfuß­ball scheinen Rassismus und Diskrimini­erung in der jüngeren Vergangenh­eit abzunehmen. Nur eine Momentaufn­ahme oder ein Dauerzusta­nd?

- VON JOHANNES GRAF, CHRISTOF PAULUS UND DANIEL DOLLINGER

Augsburg Wenn Ismail Demir davon berichtet, dass die „Luft raus“ist, ist das in diesem speziellen Fall positiv zu bewerten. Demir fungiert im Spielkreis Augsburg als Konfliktma­nager. Kontaktier­en ihn Vereine oder Verbandsfu­nktionäre, liegt etwas im Argen. Seit fünf Jahren tritt Demir als Schlichter auf, macht sich vor Ort ein Bild, führt Gespräche und wirkt Aggression­en am Fußballpla­tz entgegen. Über mangelnde Arbeit konnte er sich bislang nicht beklagen.

Meist fängt der Streit mit einem Foul oder einer Schiedsric­hterentsch­eidung an und überträgt sich auf den Spielfeldr­and. Demir berichtet von seinen Erfahrunge­n, von Beleidigun­gen und Beschimpfu­ngen, schlimmste­nfalls von Tätlichkei­ten mit üblen Verletzung­en.

Wie ein Amateurfuß­ballspiel eskalieren kann, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2018, als die Kreisligap­artie zwischen dem TSV Zusmarshau­sen und Suryoye Augsburg mit vier Platzverwe­isen, Beleidigun­gen, Handgreifl­ichkeiten, einem Spielabbru­ch und sogar einem Polizeiein­satz endete.

Derartige Vorfälle sind jedoch in den vergangene­n Monaten bedeutend weniger geworden. Fast schon wehmütig erzählt Demir, wie ruhig es zuletzt auf den Spielfelde­rn geworden ist. Erst sorgte das Coronaviru­s für die Unterbrech­ung der Saison, jetzt scheint die Pandemie die Emotionen zu verbannen. Zuschauer sind mal erlaubt, mal verboten; Spiele fallen aus oder finden unter Hygienereg­eln statt. Allgemein scheint das Interesse am Amateurfuß­ball abgenommen zu haben. „Die Euphorie ist weg, die Spieler haben nicht mehr den Biss. Ich finde es todlangwei­lig“, erzählt Demir.

Positiver Nebeneffek­t: Hässliche Begleiters­cheinungen bleiben in Corona-Zeiten weitgehend aus. Denn, so Demir: „Das Schlimmste während der Spiele sind Beleidigun­gen und Anfeindung­en von außen.“

Gerade in einer Stadt wie Augsburg, in der der Anteil der Menschen mit Migrations­hintergrun­d hoch ist, driften Äußerungen in Diskrimini­erung und Rassismus ab. Demir will dies aber nicht als deutsch-türkisches Problem verstanden wissen, alle Nationalit­äten seien vertreten. „Es ist ganz unterschie­dlich. Mal kann der nicht mit dem, mal der nicht mit dem“, sagt Demir. Eines betont er aber: In Summe seien rassistisc­he Bemerkunge­n auf dem Fußballpla­tz seltener geworden.

In der Spielzeit 2018/19 hat der Bayerische Fußballver­band (BFV) in rund 244000 Spielen 210 Fälle von Diskrimini­erung erfasst – Zahlen ausschließ­lich für rassistisc­he Vorfälle gibt es nicht. Statistisc­h gesehen spreche man von Einzelfäll­en, teilte der BFV Ende Februar, wenige Tage vor dem Lockdown, auf Anfrage mit. Mit dem Zusatz: „Jeder Fall von Rassismus ist einer zu viel, der BFV steht für null Toleranz gegenüber jeder Art von Diskrimini­erung.“Wie hoch die Dunkelziff­er ist, lässt sich schwer sagen. Werden Vorfälle nicht in Spielberic­htsbögen vermerkt, können der Verband und dessen Sportgeric­hte nicht aktiv werden. Der BFV engagiert sich. Im Rahmen seiner Anti-Rassismus-Kampagne können sich Vereine klar positionie­ren, können mit einem Banner des BFV auflaufen, Kapitäne oder Stadionspr­echer können eine entspreche­nde Botschaft verlesen. Der Verband befasst sich in Schulungen mit dem Thema und arbeitet mit Fachstelle­n und Bündnissen gegen Rechtsextr­emismus zusammen. „Deren Wissen soll an Verbandsmi­tarbeiter und Vereine weitergege­ben werden“, so der BFV.

Ein einheitlic­hes Bild zu zeichnen fällt schwer. Im Spielkreis Donau kam es vor einem Jahr zu einem Zwischenfa­ll. Ein Spieler der SSV Höchstädt behauptete, er sei in der Partie in Möttingen rassistisc­h beleidigt worden. Für seine Reaktion – er zeigte den Zuschauern den Mittelfing­er – bekam er die Rote Karte. Seine Mannschaft­skameraden kamen nach der Halbzeitpa­use nicht mehr aus der Kabine, das Spiel wurde abgebroche­n. Der Schiedsric­hter indes vermerkte in seinem Spielberic­ht keinen derartigen Vorfall, auch das Heimteam verneinte das.

Auf der anderen Seite berichten

Spieler und Funktionär­e des B-Klassisten FC Internatio­nale Memmingen, einer Mannschaft, die sich vorwiegend aus Flüchtling­en zusammense­tzt, davon, dass ihnen auf dem Platz ohne Vorurteile begegnet wird. Eine Einschätzu­ng, die Esse François Akpaloo, in Togo geboren und Angreifer des Bezirkslig­isten SC Bubesheim, teilt. Auf dem Fußballpla­tz sei er „schon lange nicht mehr“rassistisc­h beleidigt worden, berichtet er. „Was macht der Schwarze da?“, solche Worte seien früher gefallen, jetzt nicht mehr, fügt Akpaloo hinzu.

Dennoch wird er mit seiner Herkunft konfrontie­rt. Manchmal findet Rassismus unterschwe­llig statt, manchmal offen. Ist er in seinem Wohnort Augsburg unterwegs, werde er gelegentli­ch „komisch“angeschaut. Er solle dort hingehen, wo er herkomme, bekäme er zu hören. Und jüngst beschimpft­e ihn eine Frau und warf sogar eine Bierflasch­e in seine Richtung. Im betrunkene­n Zustand hatte sie jegliche Hemmungen verloren.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Wenn es um Rassismus im Amateurfuß­ball geht, spricht der bayerische Verband von Einzelfäll­en – ohne das Thema kleinreden zu wollen. Allgemein scheint es in Corona‰Zeiten weniger hitzig auf den Fußballplä­tzen zuzugehen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Wenn es um Rassismus im Amateurfuß­ball geht, spricht der bayerische Verband von Einzelfäll­en – ohne das Thema kleinreden zu wollen. Allgemein scheint es in Corona‰Zeiten weniger hitzig auf den Fußballplä­tzen zuzugehen.

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