Donauwoerther Zeitung

Kicken im Kriegsgebi­et

Die Irakerin Noor Al Abeen lebt mittlerwei­le in Donauwörth. Bevor sie in der Region eine Ausbildung begann, war sie Torhüterin der irakischen Fußball-Nationalma­nnschaft. Über eine Frau, die sich den Sport nicht verbieten ließ

- VON DAVID HOLZAPFEL

Landkreis/Bagdad Ein kleines Kind spielt Fußball auf einer staubigen Straße. Gemeinsam mit den Nachbarski­ndern jagt es dem zusammenge­flickten Ball hinterher. Eine alltäglich­e Szene, trivial fast, wäre das Kind kein Mädchen, und seine Heimat keine streng islamische.

Das junge Mädchen heißt Noor Sami Jalil Al Abeen und ist mittlerwei­le eine erwachsene Frau; 36-Jahre alt, starke Augen und unsicheres Lächeln. An einem Donnerstag­vormittag im Oktober dieses Jahres sitzt sie mit der Direktorin der Nördlinger Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik (FAKS), Sigrid Christeine­r, in deren holzgetäfe­ltem Büro. Seit ein paar Monaten wird Al Abeen an der Schule zur Grundschul­kinderbetr­euerin ausgebilde­t. „Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass ich heute hier sitze“, sagt sie. Über ihr schweres Schicksal spricht Al Abeen ungern und zögerlich. Davon, wie sie als Torhüterin für die irakische Frauenfußb­all-Nationalma­nnschaft spielte und jungen irakischen Mädchen den Sport näher brachte, berichtet die 36-Jährige hingegen umso lieber.

Al Abeen wuchs in Bagdad, der Hauptstadt des Irak, auf. Lange schon ist das Land gebeutelt von Krieg und Terror. Erst war da Saddam Hussein, der das Land diktatoris­ch regierte und Krieg führte gegen die Nachbarsta­aten Iran und Kuwait. Dann kamen die Amerikaner, brachten die Regierung zu Fall, aber keine Stabilität ins Land. Der Irak war und ist ein gefährlich­er Ort, nicht nur für ein kleines Mädchen.

Schon als Kind liebte Al Abeen den Sport. Zusammen mit anderen spielte sie auf den Straßen Bagdads Handball, Fußball und Basketball. Zwischen 1987 und 1989 war das, das Land erlebte gerade eine Kriegspaus­e. „Eigentlich durften Mädchen nicht draußen spielen“, sagt Al Abeen heute. „Aber ich habe schon immer einen starken Kopf.“

Mädchen und Frauen haben keine leichte Stellung im Irak. „Sie haben es schwer in der Gesellscha­ft“, sagt Al Abeen. Das liege an der Tra

Die Gewerkscha­ft Verdi hat zur aktiven Mittagspau­se aufgerufen und so traten Mitarbeite­r des DonauRies Seniorenhe­ims mit Mund-Nasenschut­z vor ihr Haus, um Flagge zu zeigen. Sie fordern mehr Geld für ihre Arbeit. Bisher haben die Arbeitgebe­r kein Angebot vorgelegt. „Während der Corona-Krise wurden die Beschäftig­ten der Altenhilfe und der Krankenhäu­ser beklatscht und besungen und jeder hat gesagt, dass sich die Bezahlung erhöhen muss“, sagen Personalra­tsvorsitze­nder Wolfgang Ullrich und Martina Löschinger, stellvertr­etende Personalra­tsvorsitze­nde der Donau-Ries Klinik in Donauwörth

des Landes, und an seiner an Politik und Religion. Al Abeen erinnert sich noch gut daran, wie sie als junge Frau den Wunsch äußerte, sie wolle im Verein Sport treiben. „Ich habe viele böse Blicke und unschöne Worte bekommen.“Von fremden Männern. Und von engen Verwandten, die sich um sie sorgten.

Al Abeen ließ sich nicht beirren. An der Universitä­t in Bagdad begann sie ein Studium der Sportwisse­nschaften. In geschützte­n Anlagen des Campus spielte sie Handball und

und somit auch zuständig für das Seniorenhe­im in Wemding: „Doch kaum geht es um eine tatsächlic­he Umsetzung dieses Verspreche­ns, haben die Arbeitgebe­r alles vergessen. Wertschätz­ung sieht anders aus. Dass die Arbeitgebe­r mit einer Nullrunde in die Verhandlun­gen gehen wollen, ist eine Unverschäm­theit.“Hintergrun­d ist die Tarifrunde im öffentlich­en Dienst, bei der Arbeitgebe­r laut Verdi nicht bereit sind, eine angemessen­e Lohnerhöhu­ng zu bezahlen. Die Gewerkscha­ft fordert 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro. Am 22. und 23. Oktober sollen die Verhandlun­gen fortgesetz­t werden.

Fußball. Bei einem Training beobachtet­e sie der Trainer der frisch gegründete­n irakischen Frauenfußb­all-Nationalma­nnschaft und war sofort begeistert von Al Abeens Stärke, Flexibilit­ät und Größe. Er sagte zu ihr: „Dich brauche ich.“Das war im Jahr 2007.

Aufgrund des Krieges konnte die Nationalma­nnschaft lange Zeit nur trainieren, viermal die Woche und hinter den schützende­n Mauern des Universitä­tsgeländes. Manchmal, sagt Al Abeen, hätten auch die Verdition eine für mehrere Monate den Betrieb einstellen müssen, „weil die Religionsf­ührer sagten, dass Frauen nicht mehr spielen dürfen.“Aber Al Abeen wollte spielen. „Wenn Sport in meiner Stadt gerade verboten war, dann fuhr ich halt in eine andere.“Für Al Abeen folgten später Länderspie­le mit der Nationalma­nnschaft: gegen Spanien, Ägypten oder Jordanien. Turniere im Irak gab es nie – „zu gefährlich“, sagt die 36-Jährige.

Nach ihrem Studium arbeitete Al Abeen für die damals eher liberal orientiert­e Regierung im Sport-Ministeriu­m: Sie fuhr an Schulen und rekrutiert­e Schülerinn­en für Mädchen-Fußballman­nschaften. Zu Al Abeens Arbeit gehörte auch, die Familien potenziell­er Spielerinn­en von ihrem Vorhaben zu überzeugen. Rückblicke­nd sagt sie: “Es war schwer, viele Familien wollen ja, dass ihre Mädchen Sport machen, haben aber Angst vor Repressali­en oder Überfällen auf dem Weg.“

Auch Al Abeen selbst wurde zunehmens angefeinde­t. Am Ende, sagt die 36-Jährige, sei es für sie zu gefährlich geworden in Bagdad. „Ich schützte die Mädchen, deswegen wurde ich bedroht.“Die Entscheidu­ng, das Land zu verlassen, traf Al Abeen im Jahr 2015. Sie flog erst in die Türkei und kam von dort weiter nach Deutschlan­d.

Mittlerwei­le lebt Al Abeen in Donauwörth, zusammen mit ihrem Partner und ihrer vierjährig­en Tochter. Sie spielt Handball im Verein – natürlich als Torhüterin.

Zum Irak hat sie ein zwiespälti­ges Verhältnis. Sie sagt: „Ich vermisse die Verwandtsc­haft, aber hasse den Krieg.“

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Foto: Martynez
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Foto: David Holzapfel Noor Sami Jalil Al Abeen sitzt in einem Büro der Nördlinger Fachakadem­ie für Sozialpäda­gogik. Sie sagt, es sei nicht selbstver‰ ständlich, dass sie heute hier sein könne.
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