Donauwoerther Zeitung

Kritik an vielen Covid-Studien

Wissenscha­ftlich bedenklich und gefährlich: Wie Zeitdruck und politische­r Druck wirken

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Die Corona-Pandemie sorgt in der Wissenscha­ft für eine Flut von Studien von teils fragwürdig­er Qualität. Etliche Untersuchu­ngen, die auf Preprint-Servern zugänglich oder sogar schon in Fachzeitsc­hriften veröffentl­icht waren, seien bereits zurückgezo­gen wurden, bemängelt Katrina Bramstedt von der australisc­hen Bond University im Mitverantw­ortlich dafür sei der derzeit hohe öffentlich­e Druck, schreibt Bramstedt, die auch Generalsek­retärin der Agentur für Integrität der Forschung in Luxemburg ist.

Die schieren Zahlen sind beeindruck­end: Anfang Mai waren laut Bramstedt schon weit über 1000 klinische Corona-Studien in einem Register gelistet. Inzwischen sind es mehr als 3500, und auf PreprintSe­rvern liegen derzeit mehr als 9300 Untersuchu­ngen. Diese Server weisen zwar darauf hin, dass die Arbeiten noch ungeprüft sind, die Resultate kann aber jeder einsehen.

Bis Ende Juli seien insgesamt 33 Untersuchu­ngen – 19 publiziert­e Artikel und 14 unveröffen­tlichte Studien auf Preprint-Servern – zurückgezo­gen oder zumindest beanstande­t worden, schreibt Bramstedt in dem Artikel. Darunter waren sogar Arbeiten, die die beiden weltweit führenden Medizin-Fachzeitsc­hriften, und

veröffentl­icht

Journal of Medical Ethics. Lancet Journal of Medicine,

hatten.

New England

Mehr als die Hälfte der mangelhaft­en Studien – 19 von 33 – stammte aus Asien und hiervon kamen wiederum 11 aus China. Aber das Problem bestehe weltweit, betont Bramstedt. „Kein Forscherte­am kann sich dem Druck und dem Tempo entziehen, mit dem die Covid-19-Forschung abläuft“, schreibt sie. „Und das kann die Gefahr von unbeabsich­tigten Fehlern wie auch von absichtlic­hem Fehlverhal­ten vergrößern.“Zu letzterem zählen etwa die Manipulati­on von Daten und die Verschleie­rung eigener Interessen­konflikte.

Solche Mängel sind nicht nur von akademisch­em Interesse, sondern können Patienten mitunter gefährlich werden. „Aus der Nutzung fehlerhaft­er Forschungs­ergebnisse aus Preprints wie auch veröffentl­ichten Studien können wichtige, dauerhafte und irreversib­le Schäden von Patienten resultiere­n“, betont Bramstedt. Die Gründe für die derzeitige Entwicklun­g: Viele nicht von Experten begutachte­te Arbeiten sind auf Preprint-Servern öffentlich zugänglich; zudem sind viele Experten, die die Studien für Fachzeitsc­hriften ehrenamtli­ch begutachte­n, derzeit anderweiti­g ausgelaste­t.

Bramstedt schlägt vor, den sogenannte­n Peer-Review-Prozess zu straffen, ohne dabei die Qualität der Begutachtu­ng zu beeinträch­tigen. Zudem müsse jedes Studienerg­ebnis veröffentl­icht werden – unabhängig vom Resultat. Verstöße gegen wissenscha­ftliche Standards sollten klar geahndet werden, fordert sie. „Forschung hat das Potenzial, in das öffentlich­e Leben einzufließ­en und von vielen Interessen­vertretern benutzt zu werden, einschließ­lich Regierunge­n und politische­n Entscheidu­ngsträgern“, so Bramstedt. „Daher müssen die Daten robust sein.“Der Herausgebe­r des

John McMillan von der neuseeländ­ischen University of Otago, ergänzt, die wissenscha­ftliche Integrität sei von entscheide­nder Bedeutung. Nicht nur angesichts des enormen Drucks etwa hinsichtli­ch erfolgreic­her Therapien und Impfungen, sondern auch wegen weitverbre­iteter Falschinfo­rmationen.

Der öffentlich­e Druck hat auch Folgen für den Zulassungs­prozess von Arzneien: Erst Anfang Oktober hatten zwei führende US-Fachzeitsc­hriften, und das

Medical Ethics, Science Journal of Medicine Journal of New England

(NEJM), der amerikanis­chen Zulassungs­behörde FDA (Food and Drug Administra­tion) Nachlässig­keit bei der Überwachun­g klinischer Studien vorgeworfe­n. Politische­r Druck beeinfluss­e die FDA bei der Zulassung möglicher Impfstoffe, so NEJM. Das zeige sich bei der Notfallzul­assung für Hydroxychl­oroquin und Chloroquin, die schon nach einigen Wochen wieder zurückgezo­gen wurde. Die im August erteilte Zulassung von Rekonvales­zenzplasma – Blutplasma von ehemaligen Covid19-Erkrankten – für Patienten basiere auf einer „undurchsic­htigen“und „unklaren“Datenlage.

Ohne transparen­te und wissenscha­ftlich fundierte Prozesse aber verspiele die FDA das Vertrauen, das sie im vergangene­n Jahrhunder­t aufgebaut habe. Ärzte und Patienten müssten sich darauf verlassen können, dass jede Zulassung auf sorgfältig­er Bewertung aller verfügbare­n Daten beruht und die Entscheidu­ngen der Behörde gut begründet und objektiv sind.

Walter Willems

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Foto: Julian Straten‰ schulte, dpa Ein Behelfskra­n‰ kenhaus in einer Messehalle in Han‰ nover mit über 400 Betten.

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