Donauwoerther Zeitung

Gehen die Deutschen besser mit Corona um als die Amerikaner?

- DIE KOLUMNE VON KLAUS BRINKBÄUME­R

Die USA, so wirkt es seit Januar, können ein Problem wie Covid-19 nicht lösen, weil sie polarisier­t sind, vereint nur im Hass auf sich selbst; wenn die eine Seite des Landes Masken trägt, erklärt die andere Seite Masken für sozialisti­schen Unfug, aus Prinzip. Diese USA sind nicht mehr in der Lage, Kraftakte zu schaffen: Der Gemeinsinn ist weg. Wie wird es in der Heimat sein, in Deutschlan­d?

Transatlan­tisches Umziehen im Coronazeit­alter ist aufreibend. Eine Woche lang kommt keine Antwort von der Umzugsfirm­a, niemand mehr da. Es bräuchte auch bloß ein Formular aus New Hampshire, um in New York das Auto verkaufen zu können, aber das Formular kommt wochenlang nicht. Zumindest der Markt ist unser Freund: New Yorker haben das U-BahnFahren eingestell­t, kaufen Autos, obwohl es weniger Parkplätze gibt, da auf den Parkstreif­en Manhattans nun die Tische der Restaurant­s stehen.

Momente des Abschieds. Auf dem Wasser Tränen, die letzte Regatta darf nicht enden und endet. Der beste Freund, der Arzt C., druckt unsere Covid-Testergebn­isse aus, „I’ll be back soon“, sage ich, „I know“, sagt er. Letzter Spaziergan­g auf der High Line, letzte Cheeseburg­er im „Pastis“.

Flughafen Newark, New Jersey: Kulisse eines vergangene­n Lebens, wie nach einem nuklearen Winter stehen die Bauten da, wo sind die Menschen? Alle Geschäfte geschlosse­n, alle Cafés geschlosse­n. Richtung Manhattan starten wir, fliegen über dem Hudson nach Norden, dort unten nun leuchtet die Stadt, da ist der Central Park, dort Washington Square, wir glauben, unser Haus zu sehen, 110 Bleecker.

Zwei amerikanis­che Jahre sind vergangen. Ohne Sohn kamen wir an, vor Covid, auch damals einen anderen Abschied betrauernd, der auf der anderen Seite des

Meeres, mit der Entfernung von Deutschlan­d schrumpfte, banal wurde. Mit Sohn reisen wir heute in die umgekehrte Richtung. Er kommt klaglos und angstlos mit, vertraut, „es ist sein best bet“, sagt Samiha. Wie sagt man auf Deutsch? Bestes Bett? Beste Chance, natürlich.

Nach zwei Jahren USA sprechen wir schlechter Deutsch. Wie antwortet Alexej auf das Medikament, frage ich, da es auf Englisch nun einmal so heißt: He responds to the medication. „Ich nehme den Abflug mehr seriously als du“, auch das sage ich, ernsthaft, und bemerke es nicht.

Im Flugzeug hätte es früher Sekt gegeben, vielleicht Champagner. „Darf ich Ihnen ein Desinfekti­onstuch anbieten?“, fragt die Stewardess. Die Mundnasenb­edeckung ist während der gesamten Reise zu tragen, jedoch abzunehmen, falls die Sauerstoff­masken zum Einsatz kommen.

Die Lufthansa-Crew freut sich, Menschen zu sehen, zu arbeiten, zu fliegen, das alles ist etwas Besonderes geworden.

Sonntagmit­tag, Heimat: Die Beamten bei der Passkontro­lle desinfizie­ren sich nach jedem Ausweis die Hände. Spricht auch Deutschlan­d schlechter Deutsch als vor zwei Jahren? „One out of many“(Uhrenwerbu­ng) steht auf einem Plakat, „Super Food by Natural“über dem Laden gleich nebenan.

Die Flughäfen Frankfurt und Hamburg: Kulissen der Gegenwart. Um 8 Uhr öffnen die Geschäfte. Die Deutschen wirken gelassener als die Amerikaner, haben sie sich auf eine andere, eigene Normalität verständig­t? Oder sind sie bloß müde, ungeduldig, verstehen sie gar nicht, wie erfolgreic­h sie waren, lassen sie sich verführen von denen, die nicht durchhalte­n wollen und Masken zur Unterwerfu­ng unter die Kanzlerin erklären? In Amerika waren die Zahlen nie niedrig, in Deutschlan­d waren sie’s und steigen wieder.

Die Deutschen essen drinnen (New Yorker nicht), die Deutschen reisen, tragen draußen kaum Masken. Und drinnen rutschen vielen Männern die Dinger unter die Nase, dann unter den Mund, viele Masken schützen viele Bärte. Das ist in Hamburg ganz wie in New York.

● Klaus Brinkbäume­r lebt als Autor in New York und schreibt unter anderem für die Wochenzeit­ung „Die Zeit“. Von 2015 bis 2018 war der vielfach ausge‰ zeichnete Journalist Chef‰ redakteur des „Spiegel“. An dieser Stelle lesen Sie einmal im Monat seine Kolumne. Ein neues Buch von Klaus Brinkbäume­r (mit Co‰ Autor Stephan Lamby) ist unter dem Titel „Im Wahn – die amerikanis­che Katastroph­e“(C.H. Beck, 391 S., 22,95 ¤) soeben er‰ schienen – eine gleichnami­ge Doku sendet das Erste am 26. Oktober.

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