Die Jagd nach den Diamantendieben
1600 Polizisten haben bei einer filmreifen Aktion in Berlin drei Männer gefasst. Sie sollen das weltberühmte Grüne Gewölbe ausgeraubt haben – und sind keine Unbekannten
Berlin/Dresden Der wochenlang geplante Einsatz der sächsischen Polizei in Berlin ist hochgeheim, und sein Ablauf ähnelt einer militärischen Operation: 1600 Polizisten aus acht Bundesländern sind zusammengezogen, viele mit Maschinenpistolen ausgerüstet, dazu kommen die ebenfalls schwer bewaffneten Spezialeinsatzkommandos (SEK). Polizeieinheiten fahren aus Sachsen Umwege nach Berlin, um nicht zu sehr aufzufallen. In der Dunkelheit am Dienstagmorgen um sechs Uhr schlägt die Polizei in der Hauptstadt zu. Die SEKs stürmen zehn Wohnungen und durchsuchen Garagen und Autos, viele im Stadtteil Neukölln. Ihr Ziel: kriminelle Mitglieder des Remmo-Clans.
Männer aus dieser bekannten arabischstämmigen Großfamilie wurden bereits wegen des Diebstahls der Goldmünze im Bode-Museum und einem Millionen-Einbruch in eine Bank verurteilt. Und sie waren beteiligt an einem spektakulären Raubüberfall auf das KaDeWe. Der neue dringende Verdacht: Familienmitglieder sollen auch den Einbruch in das historische Grüne Gewölbe in Dresden und den Diebstahl wertvoller Juwelen verübt haben.
Am frühen Morgen des 25. November 2019 drangen zwei Täter in das Schatzkammermuseum im Dresdner Residenzschloss ein. Sie durchtrennten ein Gitter und stemmten ein Fenster heraus. Im Juwelenzimmer schlugen sie mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rafften mehr als 20 barocke Schmuckstücke aus Diamanten und Brillanten zusammen. Der von einer Kamera gefilmte Coup dauerte nur wenige Minuten. Als die Polizei eintraf, waren Diebe und Beute verschwunden. Mit einem als Taxi getarnten Wagen sollen sie nach Berlin gefahren sein.
Die Kriminalpolizei in Sachsen bildete eine 40-köpfige Sonderkommission „Epaulette“, benannt nach einem der wertvollsten Schmuckstücke, und setzte eine Belohnung von 500 000 Euro aus. Mehr als 700 Spuren wurden gesichert, weit mehr als 1000 Hinweise gingen ein. Die Soko nahm auch zügig Kontakt zu einem Experten des Berliner LKA für Kunstdelikte auf. Überhaupt dachten viele Beobachter schnell an Berlin und die kriminellen Clans. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach nach der Tat von Spekulationen, sagte aber auch: „Die Parallelen zum Überfall im KaDeWe und dem Einbruch ins Bode-Museum sind leicht erkennbar, dafür muss man nicht Kriminalist sein.“Die Spuren nach Berlin und – wie man jetzt weiß – auch zu dem Clan wurden immer konkreter. Seit September schon durchsuchte die Polizei immer wieder Wohnungen und Läden im Umfeld des Clans.
Im Visier des Dresdner LKAs und der Berliner stehen nun fünf verdächtige Männer. Drei von ihnen, zweimal 23 und einmal 26 Jahre alt und mit deutscher Staatsangehörigkeit, kann die Polizei am frühen Dienstagmorgen festnehmen. Einer von ihnen wurde im Februar wegen des Diebstahls der Goldmünze verurteilt, er befand sich aber bisher noch auf freiem Fuß.
Kurz nach den Razzien startet die Polizei eine Fahndung mit Fotos von zwei weiteren Männern aus dem Clan. Die Zwillinge sind 21 Jahre alt und tragen denselben Nachnamen wie die anderen drei. Die beiden dringend Verdächtigen „konnten bislang nicht ergriffen werden“. Am frühen Abend gaben die Ermittler bekannt, dass ein gesuchtes Auto, das im Zusammenhang mit den Flüchtigen steht, gefunden wurde. Die Großfamilie Remmo ist einer der bekanntesten Clans der Hauptstadt. Die Familie ist arabischstämmig, lebte einst im kurdischen Gebiet im Osten der Türkei und kam in den 80er Jahren über den Libanon und Ost-Berlin nach West-Berlin. Die Justiz spricht von einer „hohen Anzahl“von Ermittlungsverfahren gegen Familienmitglieder. Sie standen nicht nur wegen der Goldmünze, einem Bankeinbruch, einem Überfall auf einen Geldtransporter sowie zahlreichen anderen Diebstählen und Drogendelikten vor Gericht, sondern auch im Zusammenhang mit einem Mann, der mit Baseballschlägern totgeprügelt wurde.
Die Beute fand die Polizei bislang nicht. „Die Kunstgegenstände stehen auf den Durchsuchungsbeschlüssen mit drauf. Da müsste man aber schon sehr viel Glück haben, wenn man die ein Jahr nach der Tat noch finden würde“, sagt der Sprecher der Dresdner Polizei, Thomas Geithner. Ob die Schmuckstücke zerlegt und die Diamanten umgeschliffen wurden oder ob die Diebe sie als Ganzes verkauften, ist völlig unklar. „Die Ermittlungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Das ist jetzt aber ein Meilenstein, diese drei Festnahmen. Jetzt hängt es davon ab, was wir für Spuren finden.“