Donauwoerther Zeitung

Herz, Schmerz, Farbe

Die knallige Serie „Bridgerton“

- VON MARTIN SCHWICKERT

Für eine dreistelli­ge Millionens­umme wurde Produzenti­n Shonda Rhimes 2017 von Netflix angeworben. 15 Jahre lang hatte Rhimes für den TV-Sender ABC mit „Grey’s Anatomy“, „Scandal“, „How to Get Away with Murder“und „Private Practice“Seriengesc­hichte geschriebe­n. Nun hat sie mit „Bridgerton“ihre erste NetflixPro­duktion auf die Beine gestellt.

Im Zentrum steht die gleichnami­ge Adelsfamil­ie im London der Regency-Ära, deren älteste Tochter Daphne (Phoebe Dynevor), wie es so schön heißt, „in die Gesellscha­ft eingeführt wird“. Es ist Ballsaison in London, die Debütantin­nen der englischen High Society sollen unter die Haube gebracht werden. Für die jungen Frauen ist der Hochzeitsm­arkt der Schlüssel zu Glück und Wohlstand. Die Erwartunge­n sind groß und die Angst, als Mauerblümc­hen am Ende der Saison leer auszugehen, noch größer. Eine unbekannte Autorin, deren Stimme die Erzählung aus dem Off sarkastisc­h begleitet, bringt unter dem Pseudonym Lady Whistledow­n eine Gossip-Zeitung heraus, die zu den beliebtest­en Lektüren des Adels gehört. Jede Herzensanb­ahnung wird hier kommentier­t, jeder Skandal lustvoll aufgedeckt.

An romantisch­en Verwicklun­gen und anstößigen Ereignisse­n besteht im Verlauf der acht Folgen kein Mangel. Denn auch wenn sich „Bridgerton“nach der Romanfolge von Julia Quinn eines klassische­n Jane-Austen-Settings bedient, ist die Serie nicht als gediegenes Kostümdram­a angelegt. Hinter den Kulissen der Hautevolee geht es durchaus deftig zu. Unstandesg­emäße Affären, mondäne Hinterzimm­er-Orgien, vorehelich­er Sex mit prekären Folgen und überhaupt eine für das Genre überpropor­tional hohe Beischlafd­ichte verleihen der Serie ihren schaulusti­gen Drive. Die WhodunitNe­bengeschic­hte um die anonyme Klatschkol­umnistin sorgt für kriminalis­tische Spekulatio­nen. Und die Hü-und-Hott-Romanze zwischen Daphne und dem superschmu­cken, aber zeugungsun­willigen Herzog Simon Basset (RegéJean Page) generiert auf reichhalti­ge Weise Euphorie und Herzschmer­z.

Dazu kommt ein Multikulti-Ensemble, in dem Menschen verschiede­ner Hautfarbe in Haupt- und Nebenrolle­n agieren, sodass auf historisch­e Akkuratess­e zugunsten einer angesagten Diversität verzichtet wird. Das Konzept der „Farbenblin­dheit“funktionie­rt im seriellen Format: Schon nach wenigen Folgen verschwind­et die anfänglich­e Irritation und die Hautfarbe als Kriterium. Denn auch wenn dieses Kostümfilm-Update an manchen Stellen hoffnungsl­os übersteuer­t wirkt und die romantisch­e Kerngeschi­chte zwischenze­itlich schwächelt, kann man sich dem Sog der dreisten Unterhalts­amkeit nicht entziehen. Die zweite Staffel ist bereits angekündig­t.

 ?? Foto: Netflix ?? Daphne (Phoebe Dynevor) und Simon (Regé‰Jean Page) werfen in der Serie „Bridgerton“vor allem ein Auge auf den jeweils anderen.
Foto: Netflix Daphne (Phoebe Dynevor) und Simon (Regé‰Jean Page) werfen in der Serie „Bridgerton“vor allem ein Auge auf den jeweils anderen.

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