Vom Landtag in die Intensivstation
Warum sich ein Grünen-Politiker wochenlang um Corona-Patienten im Krankenhaus kümmerte
GarmischPartenkirchen Eigentlich sind die altehrwürdigen Hallen im Münchner Maximilianeum der Arbeitsplatz des Grünen-Abgeordneten Andreas Krahl – doch seit Beginn der Pandemie hat er diese wiederholt gegen die nüchternen Räume einer Intensivstation eingetauscht. Dort pflegte er in den vergangenen Wochen vor allem Patienten, die an Corona erkrankt waren. Der Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie half bereits zum zweiten Mal seit Beginn der Pandemie da mit, wo er gerade dringend gebraucht wurde – im Frühjahr war er in Weilheim als Pfleger eingesprungen, vor einem Monat trat er seinen Dienst im Klinikum in Garmisch-Partenkirchen an.
„Es ist für mich selbstverständlich, dass ich mich hier während der
Parlamentsferien nützlich mache“, sagte Krahl. Sein Einsatz in Garmisch endet an diesem Sonntag. Bei seiner Arbeit in der Klinik habe ihn so manches Schicksal berührt, erzählt er. Zum Beispiel das der Familie, die sich in der Nacht vor Heiligabend per Videoanruf von ihrem coronakranken Angehörigen verabschiedete. Er starb noch in derselben Nacht. Neben solchen Momenten brachte die Isolation der Corona-Kranken auch sonst ungekannte Extraarbeit für den Intensivpfleger: „Wenn sie wochenlang daliegen und keinen Besuch von Angehörigen bekommen können, bringe ich das Telefon und dolmetsche für die Patienten.“Denn eine Kanüle im Hals habe bei manchen Kranken verhindert, dass sie sprechen konnten. Krahl las dann die Worte von ihren Lippen ab. Seinen Lohn von etwa 1000 Euro brutto möchte der Intensivpfleger
an eine wohltätige Organisation oder eine Berufsfachschule für Pflegeberufe spenden.
Zwischen dem ersten CoronaAusbruch im Frühjahr und der zweiten Welle jetzt hat sich die Lage laut Krahl verschlechtert. So sei die Situation auf den Stationen nun angespannter gewesen, da die Fallzahlen höher und mehr Pflegekräfte mit dem Virus infiziert waren. „Auch die Stimmung auf den Stationen ist anders als bei der ersten Welle.“Habe vor neun Monaten bei den Pflegekräften noch Aufbruchsstimmung geherrscht, hätte nun die Resignation dominiert. „Denn es ist mal wieder nix passiert“, sagte Krahl. Aus den positiven Absichtsbekundungen aus der Politik, die Arbeit im Pflegebereich zu verbessern, sei noch nicht mehr als eine unfair verteilte, einmalige Bonuszahlung geworden. „Deshalb herrscht bei Pflegenden mittlerweile komplette Resignation und eine größere Politikverdrossenheit als vor der Pandemie.“
Auch die gesellschaftliche Wertschätzung
für die Pflegenden, welche sich zu Beginn der Pandemie gezeigt habe, habe sich in den vergangenen neun Monaten „komplett verflüchtigt“. Das liegt, mutmaßt Krahl, an einer fehlenden Repräsentation des Berufs in der Öffentlichkeit. Da es kein Sprachrohr für Pflegende gebe, wüsste die Bevölkerung oft gar nicht, was diese Menschen während der Krise leisten.
Trotz der erschwerten Umstände während der Pandemie übe der Intensivpfleger seinen alten Beruf gerne aus. Besonders schätze er den Gemeinschaftsgedanken in der Pflege. Ob er die nächsten Parlamentsferien zur Faschingszeit wieder auf einer Intensivstation verbringen wird, weiß der 31-Jährige noch nicht: „Es macht Spaß, in der Klinik zu sein, aber irgendwann werde ich auch eine Woche Urlaub für mich selbst brauchen.“