Wie die Tafel trotz Corona weiter Bedürftige versorgt
Die Einrichtung in Donauwörth musste wegen der Pandemie erneut schließen. Deshalb bietet sie wieder einen Lieferdienst an. Branko Schäpers, Geschäftsführer der Caritas, spricht im Interview über die Rolle der Tafel in der Krise
Auch die Donauwörther Tafel musste wegen der Pandemie wieder schließen. Doch man hat sich etwas einfallen lassen.
Herr Schäpers, die Tafel versorgt bedürftige Menschen, indem diese dort günstig Lebensmittel kaufen können und so mehr Geld für anderes übrig haben. Die Tafel in Donauwörth und die Ausgabestellen in Asbach-Bäumenheim sowie in Wemding versorgen etwa 600 Menschen im südlichen Landkreis Donau-Ries. Doch durch die Pandemie mussten Sie bereits im vergangenen Jahr die Einrichtungen zwischenzeitlich zusperren – in dieser Woche kam die erneute Schließung. Wie hat Corona die Arbeit in der Tafel verändert? Branko Schäpers: Niemand wusste im Frühjahr 2020, wie es weitergehen soll. Zuerst mussten wir die Tafel in Donauwörth schließen. Es ist einfach so, dass viele der Ehrenamtlichen hauptsächlich Rentner und Pensionäre sind, die selbst zur Risikogruppe gehören. Dazu zählen auch viele der Kunden selbst. Intern haben wir dann diskutiert, wie wir die Menschen trotzdem versorgen können. Wenn schon eine Krise kommt und diese auch existenzielle Ängste auslöst, verschärft das natürlich noch einmal die Lage. Relativ schnell sind wir übereingekommen, dass wir einen Lieferdienst organisieren. In Nördlingen hatte die Stadt damals schon so ein Konzept gestartet, das zusätzlich von einer Reservisten-Kameradschaft unterstützt wurde. In Donauwörth sind wir ähnlich vorgegangen, aber haben es komplett selbst aufgebaut. Wir reaktivierten alle Ehrenamtlichen und die Geschäfte, die uns bis dahin beliefert hatten. Ab Mitte Juni aber konnten wir dann die Tafeln vor Ort unter Hygieneschutzmaßnahmen wieder nach und nach öffnen. Nun hat uns die zweite Welle der Pandemie erwischt und wir stehen wieder vor demselben Problem.
Wie ist die Lage nun im Vergleich zum vergangenen Jahr?
Schäpers: Es ist ein Stück einfacher als im Frühjahr. Nun haben wir eine Lösung und können aus den bereits gesammelten Erfahrungen lernen. Wir müssen nicht alles aus dem Nichts organisieren, sondern können auf unser Wissen zurückgreifen. Es läuft jetzt also etwas strukturierter. Wir versuchen so gut wie möglich, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Ein Kollege hat mal gesagt: „Wir bieten jetzt Tafel to go an.“
Wie läuft der Tafel-Lieferdienst ab?
Schäpers: Die Menschen mit Tafelausweisen rufen bei uns an, hinterlassen ihre Daten, die wir in einer Liste erfassen. Diese leiten wir an die Tafeln vor Ort weiter, die dann alles organisieren. Bei den Produkten können wir teilweise auf den Bedarf der Personen achten, aber wir auch nur herausgeben, was wir von den Geschäften und privaten Spendern bekommen. Doch die meisten Kunden, die wir haben, sind schon länger bei uns. Man kennt sich und wir wissen, was sie brauchen. Die Strecken werden möglichst effizient organisiert, damit man nicht hin und her durch den ganzen Landkreis fährt. Immer donnerstags geht es dann mit einem Kühltransporter und einem weiteren Fahrzeug los und wir liefern, wenn es gut läuft, alles in einem Schwung aus.
Wie viele Haushalte kann die Tafel so beliefern?
Schäpers: Die Donauwörther Tafel versorgt insgesamt etwa 250 Haushalte. Ob alle den Lieferdienst nutzen werden, wissen wir im Vorfeld aber noch nicht. Generell sind wir aber recht unkompliziert: Wenn jemand sagt, dass er etwas dringend braucht, dann glauben wir das und helfen aus.
Welche Reaktionen erhalten Sie von den Menschen, die den Service in Anspruch nehmen?
Schäpers: Viele waren sehr dankbar. Eine Frau in Donauwörth hatte Tränen in den Augen, weil sie sonst nicht wusste, wie sie das geschafft hätte. Sie ist durch Vorerkrankungen stark gefährdet und auf einen Rollator angewiesen. Selbst wenn sie wollte, hätte sie nicht einfach im Geschäft einkaufen gehen können. Umso dankbarer war sie, dass unsere Leute ihr die Lebensmittel bis vor die Haustüre gebracht haben.
Mit dem Lieferdienst werden die Menschen mit Waren versorgt. Aber das alleine macht ja nicht das Besondere aus, oder?
Schäpers: Stimmt. Viele Kunden vermissen das Soziale. Sie gehen jeden Donnerstag zur Tafel und treffen auf bekannte Gesichter. Letzten Endes fehlt das ganz klar. Aber es geht nicht anders. Wir leisten so viel, wie wir können, aber diesen Treffpunkt können wir aktuell nicht bieten.
Worin liegen die Schwierigkeiten beim Lieferdienst?
Schäpers: Es ist ein Streckenproblem. Wir verlangen für die Fahrt nichts. Die Kundschaft zahlt weiterhin pro Erwachsenem 2,50 Euro. Wenn man die Spritkosten gegenkönnen rechnet, dann lohnt sich das für uns finanziell nicht. Wir versorgen zum Beispiel eine bedürftige Familie in Tagmersheim. Wir müssen schauen, wie wir dort am besten und effizientesten hinkommen. Aber es hat einen hohen ideellen Wert, dass wir das Angebot der Tafel aufrechterhalten wollen. Die Einrichtung ist kein Selbstzweck, sondern sie dient dazu, bedürftige Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen entsprechend zu versorgen.
Wie sieht es aktuell mit ehrenamtlichen Helfern aus?
Schäpers: Von unseren etwa 50 bis 60 Ehrenamtlichen sagen einige, dass sie gefährdet sind und sie bei den hohen Infektionszahlen zu Hause bleiben möchten. Dafür haben wir vollstes Verständnis. Während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr habe ich aber sehr viele Anfragen von Bürgern bekommen, die gesagt haben: „Ich bin momentan zu Hause. Ich habe Zeit, wenn ihr Hilfe braucht, sagt Bescheid.“Das erlebe ich aktuell wieder. Ein Lehrer hat beispielsweise bereits im Frühjahr geholfen. Als er wieder angefangen hat zu unterrichten, hat er gesagt, dass man ihn wieder anrufen kann, wenn etwas ist. Nun liefert er erneut mit aus.
Welche neuen Erfahrungen haben Sie ganz persönlich in ihrer Arbeit in den vergangenen Monaten gemacht?
Schäpers: Es war für mich schön zu sehen, dass Menschen auch in schwierigen Zeiten zueinanderstehen. Trotz aller Krisen und Schwierigkeiten gibt es viele Menschen, die bereit sind zu helfen, und sich ehrenamtlich engagieren möchten. Man kann schauen, ob und vor allem wie man helfen kann. Im Alltag kann ich mehr auf meinen Nächsten achten und auch nachfragen, was ich tun kann, damit es jemandem besser geht. Das ist etwas Positives, das ich während der Krise gesehen habe und ich fände es schön, wenn das die Menschen beibehalten.
Informationen zum Lieferdienst:
Die Caritas möchte weiterhin den Le bensmittelbedarf sicherstellen. Bedürftige Personen können sich unter der Tele fonnummer 0906/70920718 für den Lie ferdienst bei der Donauwörther Tafel anmelden.