Donauwoerther Zeitung

Wie die Tafel trotz Corona weiter Bedürftige versorgt

Die Einrichtun­g in Donauwörth musste wegen der Pandemie erneut schließen. Deshalb bietet sie wieder einen Lieferdien­st an. Branko Schäpers, Geschäftsf­ührer der Caritas, spricht im Interview über die Rolle der Tafel in der Krise

- Interview: Susanne Klöpfer

Auch die Donauwörth­er Tafel musste wegen der Pandemie wieder schließen. Doch man hat sich etwas einfallen lassen.

Herr Schäpers, die Tafel versorgt bedürftige Menschen, indem diese dort günstig Lebensmitt­el kaufen können und so mehr Geld für anderes übrig haben. Die Tafel in Donauwörth und die Ausgabeste­llen in Asbach-Bäumenheim sowie in Wemding versorgen etwa 600 Menschen im südlichen Landkreis Donau-Ries. Doch durch die Pandemie mussten Sie bereits im vergangene­n Jahr die Einrichtun­gen zwischenze­itlich zusperren – in dieser Woche kam die erneute Schließung. Wie hat Corona die Arbeit in der Tafel verändert? Branko Schäpers: Niemand wusste im Frühjahr 2020, wie es weitergehe­n soll. Zuerst mussten wir die Tafel in Donauwörth schließen. Es ist einfach so, dass viele der Ehrenamtli­chen hauptsächl­ich Rentner und Pensionäre sind, die selbst zur Risikogrup­pe gehören. Dazu zählen auch viele der Kunden selbst. Intern haben wir dann diskutiert, wie wir die Menschen trotzdem versorgen können. Wenn schon eine Krise kommt und diese auch existenzie­lle Ängste auslöst, verschärft das natürlich noch einmal die Lage. Relativ schnell sind wir übereingek­ommen, dass wir einen Lieferdien­st organisier­en. In Nördlingen hatte die Stadt damals schon so ein Konzept gestartet, das zusätzlich von einer Reserviste­n-Kameradsch­aft unterstütz­t wurde. In Donauwörth sind wir ähnlich vorgegange­n, aber haben es komplett selbst aufgebaut. Wir reaktivier­ten alle Ehrenamtli­chen und die Geschäfte, die uns bis dahin beliefert hatten. Ab Mitte Juni aber konnten wir dann die Tafeln vor Ort unter Hygienesch­utzmaßnahm­en wieder nach und nach öffnen. Nun hat uns die zweite Welle der Pandemie erwischt und wir stehen wieder vor demselben Problem.

Wie ist die Lage nun im Vergleich zum vergangene­n Jahr?

Schäpers: Es ist ein Stück einfacher als im Frühjahr. Nun haben wir eine Lösung und können aus den bereits gesammelte­n Erfahrunge­n lernen. Wir müssen nicht alles aus dem Nichts organisier­en, sondern können auf unser Wissen zurückgrei­fen. Es läuft jetzt also etwas strukturie­rter. Wir versuchen so gut wie möglich, den Betrieb aufrechtzu­erhalten. Ein Kollege hat mal gesagt: „Wir bieten jetzt Tafel to go an.“

Wie läuft der Tafel-Lieferdien­st ab?

Schäpers: Die Menschen mit Tafelauswe­isen rufen bei uns an, hinterlass­en ihre Daten, die wir in einer Liste erfassen. Diese leiten wir an die Tafeln vor Ort weiter, die dann alles organisier­en. Bei den Produkten können wir teilweise auf den Bedarf der Personen achten, aber wir auch nur herausgebe­n, was wir von den Geschäften und privaten Spendern bekommen. Doch die meisten Kunden, die wir haben, sind schon länger bei uns. Man kennt sich und wir wissen, was sie brauchen. Die Strecken werden möglichst effizient organisier­t, damit man nicht hin und her durch den ganzen Landkreis fährt. Immer donnerstag­s geht es dann mit einem Kühltransp­orter und einem weiteren Fahrzeug los und wir liefern, wenn es gut läuft, alles in einem Schwung aus.

Wie viele Haushalte kann die Tafel so beliefern?

Schäpers: Die Donauwörth­er Tafel versorgt insgesamt etwa 250 Haushalte. Ob alle den Lieferdien­st nutzen werden, wissen wir im Vorfeld aber noch nicht. Generell sind wir aber recht unkomplizi­ert: Wenn jemand sagt, dass er etwas dringend braucht, dann glauben wir das und helfen aus.

Welche Reaktionen erhalten Sie von den Menschen, die den Service in Anspruch nehmen?

Schäpers: Viele waren sehr dankbar. Eine Frau in Donauwörth hatte Tränen in den Augen, weil sie sonst nicht wusste, wie sie das geschafft hätte. Sie ist durch Vorerkrank­ungen stark gefährdet und auf einen Rollator angewiesen. Selbst wenn sie wollte, hätte sie nicht einfach im Geschäft einkaufen gehen können. Umso dankbarer war sie, dass unsere Leute ihr die Lebensmitt­el bis vor die Haustüre gebracht haben.

Mit dem Lieferdien­st werden die Menschen mit Waren versorgt. Aber das alleine macht ja nicht das Besondere aus, oder?

Schäpers: Stimmt. Viele Kunden vermissen das Soziale. Sie gehen jeden Donnerstag zur Tafel und treffen auf bekannte Gesichter. Letzten Endes fehlt das ganz klar. Aber es geht nicht anders. Wir leisten so viel, wie wir können, aber diesen Treffpunkt können wir aktuell nicht bieten.

Worin liegen die Schwierigk­eiten beim Lieferdien­st?

Schäpers: Es ist ein Streckenpr­oblem. Wir verlangen für die Fahrt nichts. Die Kundschaft zahlt weiterhin pro Erwachsene­m 2,50 Euro. Wenn man die Spritkoste­n gegenkönne­n rechnet, dann lohnt sich das für uns finanziell nicht. Wir versorgen zum Beispiel eine bedürftige Familie in Tagmershei­m. Wir müssen schauen, wie wir dort am besten und effiziente­sten hinkommen. Aber es hat einen hohen ideellen Wert, dass wir das Angebot der Tafel aufrechter­halten wollen. Die Einrichtun­g ist kein Selbstzwec­k, sondern sie dient dazu, bedürftige Menschen in schwierige­n Lebensverh­ältnissen entspreche­nd zu versorgen.

Wie sieht es aktuell mit ehrenamtli­chen Helfern aus?

Schäpers: Von unseren etwa 50 bis 60 Ehrenamtli­chen sagen einige, dass sie gefährdet sind und sie bei den hohen Infektions­zahlen zu Hause bleiben möchten. Dafür haben wir vollstes Verständni­s. Während des ersten Lockdowns im vergangene­n Jahr habe ich aber sehr viele Anfragen von Bürgern bekommen, die gesagt haben: „Ich bin momentan zu Hause. Ich habe Zeit, wenn ihr Hilfe braucht, sagt Bescheid.“Das erlebe ich aktuell wieder. Ein Lehrer hat beispielsw­eise bereits im Frühjahr geholfen. Als er wieder angefangen hat zu unterricht­en, hat er gesagt, dass man ihn wieder anrufen kann, wenn etwas ist. Nun liefert er erneut mit aus.

Welche neuen Erfahrunge­n haben Sie ganz persönlich in ihrer Arbeit in den vergangene­n Monaten gemacht?

Schäpers: Es war für mich schön zu sehen, dass Menschen auch in schwierige­n Zeiten zueinander­stehen. Trotz aller Krisen und Schwierigk­eiten gibt es viele Menschen, die bereit sind zu helfen, und sich ehrenamtli­ch engagieren möchten. Man kann schauen, ob und vor allem wie man helfen kann. Im Alltag kann ich mehr auf meinen Nächsten achten und auch nachfragen, was ich tun kann, damit es jemandem besser geht. Das ist etwas Positives, das ich während der Krise gesehen habe und ich fände es schön, wenn das die Menschen beibehalte­n.

Informatio­nen zum Lieferdien­st:

Die Caritas möchte weiterhin den Le‰ bensmittel­bedarf sicherstel­len. Bedürftige Personen können sich unter der Tele‰ fonnummer 0906/70920718 für den Lie‰ ferdienst bei der Donauwörth­er Tafel anmelden.

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Foto: Helmut Bissinger Branko Schäpers (43) ist der Geschäftsf­ührer des Caritasver­bands für den Landkreis Donau‰Ries.

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