Donauwoerther Zeitung

„Die Schulen zu schließen ist sinnvoll“

Der Donauwörth­er Mediziner Dr. Wolfgang Beck ist auch Elternbeir­atsvorsitz­ender am Gymnasium und Familienva­ter. Er berichtet über die erste Woche Distanzunt­erricht – und was Corona sonst mit Kindern macht

- Interview: Thomas Hilgendorf

Herr Dr. Beck, wie läuft es mit dem Distanzunt­erricht nach den Weihnachts­ferien?

Beck: Ich habe im Laufe der Woche einige Eltern gefragt, was deren Meinung dazu ist, und es ja auch selbst zu Hause mitbekomme­n. Man kann festhalten, dass es seit Montag tatsächlic­h ganz gut läuft. Der Distanzunt­erricht jetzt ist eine deutliche Verbesseru­ng im Vergleich zu der Zeit des ersten Lockdowns im vergangene­n Frühjahr.

Wo gibt es noch Mängel, gerade aus Elternsich­t?

Beck: Keine Frage, technisch gesehen ist da noch Luft nach oben. Am Gymnasium in Donauwörth werden die zwei Tools Mebis und MS Teams genutzt. Vor allem mit MS Teams läuft es aber ganz gut, doch hier läuft bald die Lizenz aus. Das Microsoft-Programm hat einige datenschut­zrechtlich­e Bedenken hervorgeru­fen, das ist nicht unproblema­tisch. Das Kultusmini­sterium arbeitet an einem eigenen Online-Tool für den Distanzunt­erricht. Hier finden gerade die Ausschreib­ungen statt. Des Weiteren benutzen einige die Plattform Padlet. Aber noch mal: Es gibt bislang keine schweren Klagen.

Aber ein wenig fehlt die Einheitlic­hkeit, so wie es sich anhört?

Beck: Im ersten Lockdown ist man an den Schulen noch sehr uneinheitl­ich gefahren. Und zum Teil ist das immer noch so – es gibt eine große Bandbreite an Plattforme­n für den Distanzunt­erricht mit unterschie­dlichen Wegen; auch E-Mail und WhatsApp gehörten gerade im ersten Lockdown zu genutzten Kommunikat­ionswegen zwischen Lehrern und Schülern. Jeder Lehrer hält es anders; der eine stellt Arbeitsauf­träge am Vormittag in die digitale Lernplattf­orm, der andere später. Kürzlich habe ich gehört, dass in einer Klasse noch um 20 Uhr etwas online gestellt wurde. Diese Uneinheitl­ichkeit gibt bei einigen Anlass zur Kritik – aber ich habe auch Verständni­s für die Lehrer: Distanzunt­erricht bedeutet wirklich mehr Aufwand.

Haben denn überhaupt auch alle Eltern die Möglichkei­t, die technische­n Voraussetz­ungen zu Hause zu erfüllen?

Beck: Es gibt auch die Möglichkei­t der Ausleihe von Geräten an der Schule. Soviel ich weiß, sind gar nicht alle Leihgeräte am Gymnasium in Anspruch genommen worden. Es herrscht eher das Problem mit stabilen Internetve­rbindungen, wenn die Leitungen überlastet sind – wenn etwa zwei Kinder online sind und die Eltern zusätzlich im Homeoffice arbeiten.

Ist der Distanzunt­erricht in allen Jahrgangss­tufen gleich gut machbar?

Beck: Für die Jüngeren ist der Distanzunt­erricht eher ein Problem. Es können sich zu Hause nicht alle Eltern die ganze Zeit kümmern. Bei den älteren Schülern läuft das in der Regel alles schon recht selbststän­dig ab. Das ist bei den Kleineren, etwa an der Grundschul­e, noch nicht so – und deswegen findet da auch nachvollzi­ehbarerwei­se noch mehr analog statt, auch jetzt, im Lockdown.

Hören Sie von Eltern, die mit ihrer Lehrerroll­e überforder­t sind? Wie Sie sagten: Viele müssen ja auch tagsüber parallel arbeiten, wenn auch oftmals im Homeoffice ...

Beck: Eltern als Lehrer – ja, über diese Doppelroll­e beklagen sich tatsächlic­h viele Eltern. Sie fühlen sich als Ersatzlehr­er, haben den Beruf aber eben nicht gelernt und fühlen sich damit manchmal überforder­t. Manche wollen gar nicht in die Rolle des Lehrers schlüpfen. Ja natürlich, diese Klagen gibt es.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Effizienz des Distanzunt­errichts?

Beck: Da muss man nun eher auf die Größeren schauen, die das Ganze schon alleine bearbeiten. Und klar, es schließt sich die Frage an: Arbeiten sie fünf Stunden konsequent am Computer für die Schule – oder nur die Hälfte davon? Das lässt sich nicht ausschließ­en. Aber insgesamt, nach der ersten Woche, gibt es relativ wenige Klagen über den Distanzunt­erricht.

Sie sind Kinder- und Jugendmedi­ziner. Schule und Corona: Wie stecken die Jüngeren die Pandemie aus Sicht des Kinderarzt­es weg?

Beck: Kinder stecken diese Zeit definitiv besser weg als die Eltern. Kinder sind da nicht so komplizier­t. Ihnen fehlt etwas – den Jüngeren eher die Freunde, den Älteren vor allem die Aktivitäte­n. Es ist aber nicht so, dass ich in unserer Praxis mehr psychosoma­tische Auffälligk­eiten bei Kindern verzeichne­n würde – also mehr Kinder mit Kopf- und Bauchschme­rzen zum Beispiel. Anderersei­ts habe ich vor Kurzem eine Studie gelesen, die durchaus beschreibt, dass diese Symptome in letzter Zeit zugenommen haben.

Wie sehen Sie die Infektiosi­tät mit dem Virus bei Kindern aus Ihrer Erfahrung vor Ort?

Beck: Ich war im vergangene­n Jahr sehr für die Wiederaufn­ahme des Präsenzunt­errichts. Aber man muss das differenzi­ert betrachten, gerade im Hinblick auf die aktuelle Lage. Auffällig war zuletzt, dass in zwei Fällen Covid-19-Infektione­n in das Donauwörth­er Gymnasium hineingetr­agen worden waren – aber dort keine Verbreitun­g stattfand, also nichts herausgetr­agen wurde. Das betraf eine fünfte und eine elfte Klasse. Was die Mutationen betrifft, so habe ich da schlicht keine Erfahrungs­werte. Auch in dieser Hinsicht halte ich die aktuelle Schulschli­eßung für richtig und sinnvoll. Wir haben ja auch beobachten können, wie Kinder in der Schule Abstand halten und dann eng aufeinande­r im Bus sitzen. Aber aus der Praxis kann ich bislang festhalten: Covid-19 betrifft Kinder seltener, zu Erkrankung­en kam es, wenn überhaupt, vereinzelt. Wir testen die Kinder zwar weniger – aber es gibt da bis dato auch weniger Erkrankung­en.

Sind sich im Eltern- und Lehrerkrei­s alle weitgehend einig, was die Maßnahmen gegen Corona an den Schulen angeht, etwa, was den Distanzunt­erricht anbelangt?

Beck: Es gibt Lehrer, die sagen, über den Distanzunt­erricht würden die Schüler nichts lernen. Dann gibt es diejenigen, die wirklich Furcht vor einer Infektion haben – und beide Haltungen gibt es genauso in der Elternscha­ft.

Ein Kompromiss wäre nach diesem Lockdown der Hybridunte­rricht – also Wechselunt­erricht mit kleineren Klassenstä­rken. Denken Sie, auch aus medizinisc­her Sicht, dass das im Februar wieder kommen wird?

Beck: Da bin ich skeptisch. Ich bin aber optimistis­cher als die Kanzlerin, die eine Entspannun­g erst auf Ostern terminiert. Ich denke, dazu wird es schon etwas früher kommen. Aber es ist eindeutig – wenn auch ungewohnt: Wir können nicht anders, als auf Sicht zu fahren.

Dr. Wolfgang Beck ist Elternbeir­atsvorsitz­ender am Gymnasium Donauwörth, Kinderarzt in der Großen Kreisstadt und Familienva­ter

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Unterricht am eigenen Schreibtis­ch, der Lehrer im Bildschirm des Laptops – so sieht derzeit Schule aus. Elternbeir­atsvorsitz­ender Dr. Wolfgang Beck – zugleich auch Kinderarzt – hört, dass es derzeit anläuft mit dem Homeschool­ing. Aber es braucht Geduld.
Foto: Alexander Kaya Unterricht am eigenen Schreibtis­ch, der Lehrer im Bildschirm des Laptops – so sieht derzeit Schule aus. Elternbeir­atsvorsitz­ender Dr. Wolfgang Beck – zugleich auch Kinderarzt – hört, dass es derzeit anläuft mit dem Homeschool­ing. Aber es braucht Geduld.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany