Die Frage der Woche Schick machen fürs Online-Meeting?
Schick ist ja relativ in Corona-Zeiten – schließlich darf der Friseur seit drei Monaten nicht mehr öffnen, die Haare wachsen wie sie wollen und die Lieblingsboutique ist seit einer gefühlten Ewigkeit in der Zwangspause.
Ja, ich finde, man sollte sich überlegen, wie man in Online-Meetings aussieht. Kostüm und Bluse sicherlich albern, Jogginghose und alte Strickjacke sicherlich eine Kapitulation. Aber es gibt ja auch noch ein ansprechendes Dazwischen. Wenn die Konferenz am offiziellen Arbeitsplatz wäre, würde man ja auch nicht in den ollen Schlabbersachen erscheinen, so ja wohl auch nicht zum Metzger gehen. Job ist Job, da kann man doch ein bisschen die Form waren – der Fernsehabend kommt später. Seit alle im Homeoffice sitzen und von dort aus in die Welt senden, gewinnt man sowieso ganz neue, manchmal viel zu private Einblicke von seinen Kollegen – und die natürlich auch von einem selbst. Ob man will oder nicht. Da wendet man dann zumindest den hübschen Trick an, den Hintergrund zu vernebeln, bevor man aus der Rumpelkammer sendet. Apropos! Eine schöne Anekdote über Günther Jauch, passt nicht hundertprozentig, sagt aber doch was aus: Vor einer Online-Konferenz hat der Moderator alle Aktenordner verkehrt herum in die Regale gestellt, also mit der offenen Seite nach außen, damit nicht jeder lesen kann, was der Jauch so zu verwalten hat. Später hätten sich dann alle Teilnehmer der Konferenz auf einem anderen Kanal gewundert, warum der Jauch seine Ordner so komisch in den Regalen stehen hat.
Da man den Vordergrund ja schlecht vernebeln kann, möchte ich nicht, dass sich die Kollegen über die Schlabbersachen von der Wegner austauschen. Es reicht schon, wenn sie über die Frisur tuscheln.
Gleich mal vornweg: Es gibt natürlich Mindeststandards, wie man sich seinen Mitmenschen präsentieren sollte, die auch im Digitalen gelten. Wenn Sie sich derzeit also im Zustand zunehmender Verwahrlosung befinden, sich nicht mehr in der Lage sehen, dagegen anzukämpfen, dann behaupten Sie beim nächsten Online-Meeting bitte einfach: „Ist mir bislang noch nie passiert, aber die Kamera geht nicht an.“Und lassen Sie diese dann ausgestellt.
Was es ja angeblich auch geben soll: Menschen, die bei OnlineMeetings den sogenannten Zwitterlook tragen. Unten lotter, oben flotter. Merkwürdig. Dieser Zwitterlook aber führt genau zum entscheidenden Punkt in dieser Diskussion: Worum nämlich geht es mir, wenn ich mich den Kollegen, Geschäftspartnern oder wem auch immer im digitalen Besprechungszimmer präsentiere? Wer sich rausputzt, tut nämlich im Grunde doch so, als ob. Er spielt etwas vor, was mit der Realität nichts zu tun hat, weil die meisten Menschen, die gerade in Homeoffices vor sich hingammeln, das eher nicht in gestärkten Hemden, eng sitzenden Sakkos oder fein gebügelten Seidenblusen tun. Außer sie brauchen das, um sich mit der Arbeitskleidung auch die passende Arbeitshaltung überzuziehen. Für alle anderen aber ist der Lockdown so etwas wie ein ewiger Casual Friday, bei dem es legerer zugeht, um auch mal irgendetwas Positives über diesePhase zu sagen. Nutzen Sie also die Zeit, ziehen Sie an, worin Sie sich wohlfühlen. Die Gesprächspartner freuen sich auch, weil es doch tröstlich ist, zu sehen, dass es in den anderen Arbeitszimmern da draußen Menschen gibt, die sich halt auch irgendwie durchwurschteln. Anzüge schaffen Abstand, Wollpullis und Jeans eher nicht. Nähe aber ist das, was gerade alle vermissen.