Privilegien für Corona-Geimpfte? Aber sicher doch
Wer gegen das Virus immun ist, sollte eine größere Freiheit genießen als Nicht-Geimpfte. Das klingt unfair, ist es aber nicht
Privilegien – das Wort hat einen schlechten Beigeschmack. Jemand bekommt oder besitzt etwas, ohne es recht zu verdienen. Der Adel genoss früher Privilegien und begründete sie mit der vermeintlich hohen Geburt und noblen Abstammung. Und nun Privilegien für Geimpfte? Im ersten Moment regt sich ein ungutes, widerstrebendes Gefühl. Sind die Ersten, die das Serum gegen Corona schützt, nicht ohnehin besser dran als ich?
Sie müssen keine Angst mehr haben, dass die Krankheit bei ihnen einen kritischen Verlauf nimmt, dass sie vielleicht in ein Krankenhaus müssen oder sogar an der Infektion sterben. Und dann sollen sie auch noch ihr altes Leben zurückbekommen, ein Kino, ein Theater oder ein Restaurant besuchen dürfen, während ich weiter in
Sorge vor dem Erreger lebe und das soziale Leben weitgehend stillgelegt ist?
Das mag sich unfair anfühlen, aber bei genauerer Betrachtung ist es das nicht. Denn diejenigen, die jetzt am Beginn der Massenimpfung eine Spritze bekommen, haben erstens auch ein deutlich höheres Risiko, dass der Erreger in ihren Körpern schwere Schäden anrichtet. Es sind Alte und Hochbetagte, die zuerst geimpft werden. Hinzu kommen Schwestern, Pfleger und Ärzte, die sich um diese Leute kümmern und bei einer Ansteckung nicht arbeiten könnten. Zweitens ist es ein falsches Verständnis, es sei ein Vorrecht, mehrere Freunde treffen zu dürfen oder Sport in einem Fitnessstudio zu treiben. Das ist es nicht. Es sind elementare Freiheitsrechte, die der Staat nur vorübergehend zur Bekämpfung der Pandemie einschränken darf. Wird das Virus zurückgedrängt, müssen die Beschränkungen aufgehoben werden.
Noch ist die Debatte über die Rückgabe der Freiheit theoretisch, weil bislang zu wenige Menschen in
Deutschland gegen den CoronaErreger geimpft sind. Aber schon im April wird sie sehr konkret sein, wenn ein guter Teil der Deutschen das schützende Serum erhalten hat. Es wird dann zeitweilig eine Zweiklassengesellschaft geben, die in Geimpfte und Nicht-Geimpfte zerfällt. Das lässt sich nicht verhindern, weil nicht für alle genügend Impfstoff verfügbar ist.
In Deutschland leben über 20 Millionen Menschen, die 60 Jahre und älter sind. Es ist mit dem Geist des Grundgesetzes nicht vereinbar, in ihre persönliche Freiheit weiter massiv einzugreifen, wenn das Virus für sie nicht mehr gefährlich ist. Gleiches gilt für Wirte, Hoteliers, Kinobesitzer und Fitnessstudiobetreiber. Ihr faktisches Arbeitsverbot ist dann nicht mehr haltbar. Zutritt erhält jeder, der einen Impfausweis oder eine Bestätigung
dabei hat, wo eine CoronaImmunisierung vermerkt ist. Personal, das noch nicht selbst eine Spritze bekommen hat, kann durch Hygienekonzepte und engmaschige Tests geschützt werden.
Ungefährlich ist eine derartige Zweiklassengesellschaft natürlich nicht. Den Ungeimpften, zu denen ganz überwiegend die Jüngeren zählen werden, droht das undankbare Los, leider draußen bleiben zu müssen. Für die Corona-Moral ist es eine schwierige Prüfung, wenn die einen wieder frei sein dürfen und andere sich weiter massiv einschränken sollen. Das bessere Wetter im Frühjahr könnte die Spaltung erträglicher machen, weil wieder mehr Leben im Freien spielt, wo das Ansteckungsrisiko geringer ist.
Im besten Fall ist das Virus dann bereits soweit zurückgedrängt, dass Kinos, Kneipen, Restaurants und Theater mit Abstands- und Hygieneregeln für alle öffnen können. Sicher ist das aber nicht, wie die Erfahrungen mit der zweiten Welle in Deutschland und anderen Ländern zeigen.
Im Frühjahr kommt es zur Zweiklassengesellschaft