Was FitnessApps taugen
Wer sportlicher werden will, bekommt Anleitungen für das Training auch via Smartphone und Computer. Die technischen Helfer haben aber kleine Tücken
Mit lauten Techno-Beats im Hintergrund werde ich in einem Video von meinem Trainer begrüßt. „Ich freu’ mich, dass Du dabei bist!“, strahlt Steven Williams in die Kamera. Der Mann, der mir zu einem Sixpack verhelfen soll. Mein Belly-FatkillerWorkout hat das Ziel, Bauch und Figur in Form zu bringen und startet mit einem Aufwärmprogramm, bei welchem mich schon allein der Name zum Schwitzen bringt. Nach den ersten vier Minuten geht das Training erst richtig los. „Let’s go, let’s go, let’s go!“ertönt es aus meinem Smartphone-Lautsprecher. Es folgen sechs Runden à vier Trainingseinheiten. Und während ich zu den Übungen Cross Jumps, Jumping Jacks und Scissors durch mein Wohnzimmer hüpfe, beschlägt langsam die Scheibe der Balkontür.
Diese Situation spielt sich wahrscheinlich nicht nur in meiner Wohnung ab, sondern in vielen deutschen Haushalten. Fitness-Apps sind der Trend für den Sport für zwischendurch. Und sind gerade in der aktuellen Zeit sehr beliebt. Bereits 21 Prozent der Deutschen nutzen solche Fitnessdienste. Das ergab sich 2019 durch eine Studie von Splendid Research. Die Anzahl der Nutzer in Corona-Zeiten dürfte noch weiter gestiegen sein.
„Durch die Corona-Situation haben Fitness-Apps einen großen Auftrieb erhalten“, sagt Wiebke Dierkes, Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der deutschen Sporthochschule Köln. Viele würden sich mit Fitness-Apps und digitalen Angeboten jetzt vermehrt auseinandersetzen. Wie eine Studie des Münchner Fitness-Unternehmens Freeletics zeigt, war für mehr als die Hälfte der Deutschen Training ein hilfreicher Weg, um die herausfordernde Zeit im ersten Lockdown zu bewältigen. Wie genau kann eine App da helfen?
„Im Sinne einer Förderung der Gesundheit und Bewegung des Grundsports sind Fitness-Apps ein gangbarer Weg“, sagt Tom Giesler, Sportmediziner und Chefarzt der Kardiologie in der Helios Klinik Jerichower Land. Fitness-Apps können demnach ein Baustein sein für Menschen, die sich gesundheitsbewusst in der Welt bewegen und auf sich achten wollen. „In der heutigen Hektik ist das sicherlich hilfreich, wenn man da ein kleines elektronisches Helferlein an der Seite hat“, meint Giesler.
Fitnessstudios sind geschlossen, Trainer fallen weg, Vereine haben zu. „Apps können dazu beitragen, sich trotzdem weiterhin zu bewegen. Und das hat nicht nur einen positiven Einfluss auf den Körper, sondern auch auf das Gehirn“, teilt Hermann Aulinger mit, Sprecher von Freeletics. Ganz nach dem Motto „immer und überall“sorgen Fitness-Apps für zeitliche Unabhängigkeit. Weiter noch, „die App motiviert mich, setzt mir ein Ziel, erinnert mich an mein Training“, sagt Dierkes. So senkt die App Hürden, mit dem Sport anzufangen, und lockt die Nutzer vom Sofa. Selbst hat man meist nicht das Wissen und die Zeit, ein Training zu strukturieren und zu planen. Das übernimmt die App, indem sie die eigene körperliche Fitness erfasst, um so das Training mit einem individuellen Sport- und Ernährungsplan auf den Nutzer anzupassen.
Unübersichtlich und hoch ist die Anzahl von digitalen Fitnessdiensten. Der Markt von Fitness-Apps steigt stetig. Vielfach ist die Rede von über 100000 Apps. Wie findet man sich im App-Dschungel zurecht? Tom Giesler beschreibt aus medizinischer Sicht den sinnvollen
Inhalt einer App: Schrittzähler, Kalorienverbrauchsmesser, Eingabe von Gesundheitsdaten sowie eine Verlaufskurve für den Body-MassIndex (BMI), der das Körpergewicht in das Verhältnis zur Körpergröße setzt und einen Hinweis auf Über- oder Untergewicht liefert. Das Wichtigste aber ist, da sind sich alle Experten einig, das Ausprobieren. Der Nutzer sollte probieren, welche Art von Bewegung ihm Spaß macht. Zudem sollte die App den Faktor Personalisierung und Abwechslung sowie langfristige Lösungen bieten. „Im Endeffekt muss die App zum Menschen passen“, sagt Giesler.
Gymondo, die von mir installierte Fitness-App, meldet sich wieder: „Gib Gas! Ich seh’ dich in deinem Wohnzimmer, du bist gut, mach weiter!“, ruft mein Trainer. Diesmal geht es runter auf die Matte, auf der ich Übungen mache, von denen ich davor noch nie gehört habe. Aber hey, alles für die Bauchmuskulatur, oder wie Williams es sagt: „Let’s get ready für die Bauchmuskeln!“
Neben den Vorzügen gibt es auch Nachteile in der Benutzung von Fitness-Apps. Nach Giesler ist das Missbrauchspotenzial von FitnessApps sehr groß. Eines der Risiken ist die „Datensammlung, für die sich Krankenkassen und verschiedene Versicherungen wie Lebens- oder Haftpflichtversicherungen interessieren könnten“, sagt der Sportmediziner. Laut Wiebke Dierkes fehlt auch die soziale Interaktion, was sich in einem niedrigeren sozialen Wohlbefinden niederschlagen kann. Bei einer App-Nutzung hat man zudem viel Eigenverantwortung und keine Kontrolle von außen.
„Wenn man eine Sportroutine entwickelt hat, ist es irgendwann wie Zähneputzen“, sagt FreeleticsSprecher Aulinger, „wenn du es nicht mehr machst, fehlt es dir eigentlich.“Da bin ich mal gespannt, ob sich die nächste Trainingseinheit wie Zähneputzen oder doch eher wie Schweißarbeit anfühlt.
Die letzten drei Minuten meines Trainings sind das Cool-down – praktisch die Abkühlphase. Dreimal tief ein- und tief ausatmen, dann ist es vollbracht. „Du hast es geschafft – das war der Hammer, der Burner, bis zum nächsten Mal!“, ruft Williams.
Der Test zeigt: Es fehlt die soziale Interaktion
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit dem Masterstudiengang Fachjourna lismus der Hochschule Würzburg Schweinfurt entstanden.