Geli wird zum „blutigen Ungeheuer“
„Geli, der Jagdgepard“wurde von Stefan, Katharina und Opa Otto erfunden
Fortsetzung von Teil 6:
In der Zwischenzeit stellte in Schönbrunn Fürst Kurtin von Weichselbauer drei weitere Wächter rund um den Käfig des Jagdgeparden Geli. Zu sehr hatte er Angst, dass dieser ausbrechen und eine Panik unter der Bevölkerung ausrichten könnte. Zu sehr befürchtete er aber auch, dass ihn die beiden Konkurrenten, Zar Alexander Alexandrowitsch von Sankt Petersburg und Lord Hattrick Snowbridge von Edingburgh um das kostbarste Stück seines Tierparkes berauben könnten. Tatsächlich
war es nämlich wirklich so, dass weit über Wien hinaus, auch in Paris und Spanien und Deutschland, ja sogar in Norwegen, von der „Bestie von Schönbrunn“gesprochen wurde, dass die Zeitungen voll waren von Berichten über dieses blutige Ungeheuer von Wien. Die Menschen waren wild nach Sensationen. Und die Zeitungen verdienten ihr Geld damit, diese Sensationen zu schüren und anzuheizen. Da sah niemand, dass Geli bis vor kurzem ein an sich sehr friedliebendes Tier war, das mit Gola glücklich in der Savanne von Afrika lebte, in Harmonie mit Natur und Umwelt. Da wollte niemand sehen, dass es Menschen waren, die diese Situation
herbeiführten. Dass es die Sehnsucht der Menschen nach dem Außergewöhnlichen, nach dem Sensationellen war, die den Geparden in diese grausame Gefangenschaft brachte. In eine Gefangenschaft fern der Heimat, fern der Geliebten, fern der gewohnten Lebensbedingungen. In eine Gefangenschaft auf wenigen Quadratmetern; beraubt der Möglichkeit, dem Drang nach Bewegung nachzugehen. In eine Gefangenschaft, in der dieses Wildtier völlig falsch gehalten und genährt wurde, ja, in dem es geschlagen, gepeitscht, brutal gequält wurde.
Es ging Geli nicht gut. Er hatte kaum noch Kraft. Er fraß nichts. Und wenn ein Wächter näher kam und ihn zum Fressen zwingen wollte, knurrte er und fletschte die Zähne, worauf der Wärter mit der Peitsche zwischen den Gitterstäben hindurch auf Geli einschlug, bis die Wunden wieder aufplatzten und Blut über Gelis Fell rann. Die Menschen, die Tierparkbesucher, sahen das mit Freude. „Das blutige Ungeheuer von Wien!“Viele stellten sich in entsprechendem Abstand vor den Zwinger und ließen sich fotografieren: „Ich und die Bestie von Schönbrunn!“
Und manche warfen mit Steinen oder Tannenzapfen oder leeren Bierflaschen oder anderen Gegenständen, die auf den Wegen lagen, nach Geli und versuchten, ihn zu reizen. „Na, komm schon, komm schon!“, riefen sie aus sicherer Entfernung. Fortsetzung folgt nächsten Montag.
Info
Diese Geschichte steht auch in dem Buch „Märchen aus Corona Tagen“, ist im Beren kampVerlag erschie nen, hat 212 Seiten und kostet 18,50 Euro. Ge schrieben wurde es von Stefan und Katharina Meier und ihrem Opa Otto Köhlmeier.