Wiederbelebung der WarnApp
Wegen der Virus-Mutanten fordert der CDU-Wirtschaftsrat mehr Nutzen und mehr Funktionen – zu Lasten des Datenschutzes
Berlin Sie war mit großen Hoffnungen verbunden: Die Corona-WarnApp der Bundesregierung sollte eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Pandemie werden. Doch seit dem Start im Juni ist das Programm zur Kontaktnachverfolgung eher zum stumpfen Schwert geworden, weil es nur von relativ wenig Menschen eingesetzt wird. Der Wirtschaftsrat der CDU hat jetzt ein Positionspapier vorgelegt, um der App zu einem Neustart zu verhelfen. Grund: Der Wirtschaftsrat verweist sorgenvoll auf die Virus-Mutationen, durch die eine Kontaktnachverfolgung wieder in den Fokus rücke.
„Man kann aus der CoronaWarn-App technisch viel mehr herausholen, als wir das derzeit tun, aber dafür braucht es den politischen Willen“, sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. Vor allem die konsequente Nachverfolgung von Infektionsketten helfe, die Pandemie einzudämmen. Im Positionspapier argumentiert der einflussreiche Berufsverband, dass Länder wie Taiwan, Südkorea oder Japan bei der Eindämmung des Virus deutlich erfolgreicher seien. Grund sei „eine effektive Kontaktnachverfolgung, wesentlich ermöglicht durch die dortigen Corona-Apps“.
Der Wirtschaftsrat verbindet seine Vorschläge mit einer Forderung, die in Deutschland für Debatten sorgen dürfte. „Menschenschutz muss vor Datenschutz stehen“, sagte Steiger. Im Positionspapier heißt es, der Schutz der individuellen Privatsphäre bleibe auch in Krisenzeiten ein hohes Gut. Angesichts der aktuellen Situation wiege „der allgemeine Schutz des Lebens und der Gesundheit jedoch schwerer. Die Verhältnismäßigkeit ist längst nicht mehr gewahrt“.
Die Warn-App wurde nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts bislang über 25 Millionen Mal heruntergeladen. Bisher wurden zwar mehr als 7,9 Millionen positive wie negative Testergebnisse von Laboren an die Nutzer übermittelt. Doch die behielten dieses Wissen meist für sich und konterkarierten damit den eigentlichen Zweck der Software. Von 376755 „potenziell teilbaren positiven Testergebnissen“wurden zwischen 1. September und 27. Januar nur 59 Prozent tatsächlich weitergeben. Davor spielte die App ohnehin keine große Rolle. Und selbst diese Zahlen relativieren sich vor dem Hintergrund, dass es laut RKI bislang schon mehr als 2,2 Millionen Infektionen insgesamt gab.
„Nur sechs von zehn Nutzern geben ihr positives Testergebnis in die Corona-Warn-App ein, warnen also ihre Kontakte“, kommentierte Steiger die Faktenlage und ergänzte:
„Das erschwert die Verfolgung von Infektionsketten massiv.“Die Politik müsse daher „eine automatische Übermittlung der Testergebnisse über eine schnelle App-Anbindung der Labore möglich machen – endlich auch inklusive der Krankenhauslabore“.
Damit nicht genug. Der CDUWirtschaftsrat fordert die Regierung dazu auf, die App mit neuen Funktionen zu erweitern: „Durch die dezentrale Verarbeitung der Daten könnte der Nutzerstandort erfasst werden, ohne das Datenschutzniveau zu gefährden.“Auf diese Weise „wäre für Nutzer und Gesundheitsbehörden nachvollziehbar, wo es zu Risikobegegnungen gekommen ist und sich mögliche Infektionsorte befinden“. Diese könnten künftig gemieden oder das Infektionsrisiko durch strengere Auflagen reduziert werden.
Um die Standortdaten hatte es in der Vergangenheit schon Streit gegeben. So musste bei einigen Android-Versionen der Zugriff darauf aktiviert werden, was wiederum der Datensammelwut von Konzernen wie Google in die Hände spielte.
„Die Bundesregierung sollte außerdem über die Notfall-Informationsund Nachrichten-App Nina der Bevölkerung Hinweise über Corona und auf Infektionsorte in ihrem Umfeld geben, damit sie diese Orte gezielt meiden kann“, regte Steiger an. Nina gibt es in mehreren Sprachen und soll die Bevölkerung zum Beispiel vor Unwetter, Hochwasser oder der Ausbreitung von gefährlichen Stoffen bei Großbränden warnen. Auch Nina beinhaltet eine Standort-Funktion. Die App war in den bundesweiten Probealarm im September eingebunden, lief dabei aber nicht problemlos.