Vorteil für London
Dieser Fehler hätte nicht passieren dürfen. Dass sich ausgerechnet die Brüsseler EU-Kommission im Minenfeld des NordirlandProtokolls verlief, wiegt schwer genug. Und dass ausgerechnet die Behörde, die in den jahrelangen Brexit-Verhandlungen eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland verhindern wollte, diese aus Versehen vorschlug, entpuppt sich als Steilvorlage für die britische Regierung. Denn die wird nun – gleichsam als Wiedergutmachung – Entgegenkommen fordern, um die ohnehin aufgewühlten Fronten im eigenen Land zu beruhigen. Ja, es gibt zwischen Großbritannien und Nordirland noch genügend Sprengstoff – von den akuten Im- und Exportproblemen ganz zu schweigen. Denn viele Inselbewohner merken offenbar erst jetzt, nachdem das Vereinigte Königreich aus dem Binnenmarkt und der Zollunion ausgeschieden ist, welche Folgen dies nach sich zieht. Doch bis zum vergangenen Freitag saß die Gemeinschaft am längeren Hebel.
In Brüssel weiß man inzwischen, dass dieser Irrläufer keine Kleinigkeit war. Bei allem Verständnis für die Verärgerung darüber, dass die EU nicht die bestellten ImpfstoffKontingente aus dem Hause des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca zum vereinbarten Lieferdatum bekommen hat, muss doch klar sein, dass man nicht derart den Kopf verlieren und gleich eine jahrelang erkämpfte Errungenschaft aufs Spiel setzen darf. Und so wird die Behörde vom Brexit und allen seinen Folgen gerade wieder eingeholt. Die EU-Spitze schwächelt. Keine gute Ausgangsposition für weitere Gespräche.