Achtung vor den Trauernden
Die Corona-Pandemie stellt absolute Normalitäten auf den Kopf und zerschmettert schier den Grundsatz des mitmenschlichen Beistands in Zeiten der Not: Die Menschen dürfen sich demnach nicht nahe sein; das ist gerade mal dem Arzt oder Pfleger noch erlaubt. Mitunter beäugt man argwöhnisch, wenn sich in der Öffentlichkeit die Menschen zu nahe kommen. Solidarität und Miteinander durch Abstand ist angesagt. Das ist paradox in unserem Verständnis gegenseitiger Hilfe, gar absurd. Es wird auch hoffentlich nie zur Normalität werden. Ferner ruft Corona weitere Spaltpilze in der Gesellschaft hervor. Das hat auch die Beerdigung in Rain gezeigt, als sich 100 statt der aktuell während der Pandemie erlaubten 25 Trauergäste eingefunden hatten. Die Meinung der Menschen hierüber pendelt stark aus zwischen Mitgefühl auf der einen – Empörung ob des Nichteinhaltens geltender Verordnungen zum Infektionsschutz auf der anderen Seite. Natürlich ist das Unverständnis nachvollziehbar. Jene Regeln gelten grundsätzlich im deutschen Rechtssystem für alle gleichermaßen. Und doch hat Pfarrer Johannes Bräuchle auch recht, wenn er darauf hinweist, dass stets der Einzelfall beachtet werden müsse. Es ist eben keine reine Freizeitgesellschaft dort auf dem Friedhof zusammengekommen, sondern eine Trauergemeinde. Ob jeder von ihnen wusste, dass es so viele werden würden, sei erst einmal dahingestellt. Es hat wohl keiner irgend eine böse oder verquere Absicht gehabt. Das mag banal klingen, ist aber wichtig bei der Gesamtbetrachtung. Man kann und darf da mit nachvollziehbaren Argumenten anderer Meinung sein – wichtig wäre dennoch, dass jene Debatte darüber anständig geführt wird. Und bitte nicht auf dem Rücken einer trauernden Familie.