Der Weg an die Spitze ist mühsam
Warum sich Bundestrainer Peter Schlickenrieder zurückhaltend über die Chancen seiner Sportler bei der WM in Oberstdorf äußert
Oberstdorf Am Wochenende hat Peter Schlickenrieder noch einmal zu Hause Kraft getankt. Der LanglaufBundestrainer hat selbst die Ski angeschnallt, um daheim am Schliersee zwei Rennen über fünf und 30 Kilometer zu bestreiten. Mit seinen Zeiten rangiert der 51-Jährige momentan in der Rangliste der WinterChallenge des Deutschen Skiverbands jeweils unter den Top 10. Ein Ergebnis, das er sich auch von seinen Schützlingen bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf wünscht. Bei seinem Amtsantritt im April 2018 hatte Schlickenrieder optimistisch das Ziel ausgegeben, bei der Heim-WM 2021 um Medaillen mitzulaufen. Jetzt, kurz vor den ersten Rennen im Allgäu, rudert er zurück: „Man muss ehrlich sein: Das ist nicht sehr realistisch. Wenn es uns gelingt, dass jeder im Team in Oberstdorf persönliche Bestleistung abliefert, dann hätten wir viel geschafft.“
Doch Schlickenrieder ist für gewöhnlich keiner, der den Kopf gleich in den Sand steckt. Der Oberbayer strahlt fast immer Gelassenheit und gute Laune aus, packt selbst größte Baustellen mit viel Zuversicht an. Dass im Vorfeld der WM mit Katharina Hennig, Viktoria Carl und Sofie Krehl sowie Lucas Bögl, Florian Notz und Janosch Brugger sechs Athleten aus seinem Team die volle DSV-Qualifikationsnorm geschafft haben, wertet der Chefcoach als kleinen Zwischenerfolg auf dem mühsamen Weg zurück an die internationale Spitze. „Das haben wir in dieser Qualität in Seefeld noch nicht gehabt“, sagt Schlickenrieder.
Ganz vorne rechnet er bei der WM in Oberstdorf mit einem Zweikampf der erfolgreichsten LanglaufNationen Norwegen und Russland. „Und wenn in den Staffeln zwei große Nationen Mist bauen, dann werden wir da sein und jede Chance bestmöglich nutzen“, meint der Bundestrainer. Eine Überraschung in den Einzel-Wettbewerben traut Schlickenrieder höchstens Katharina Hennig zu. Die 24-Jährige aus Oberwiesenthal, die im Allgäu lebt und trainiert, ist in diesem Winter in Top-Form. Sie hat bei der Tour de Ski als Zweite des Massenstarts in Val di Fiemme über zehn Kilometer das beste Weltcup-Ergebnis ihrer Karriere geschafft. Der Bundestrainer lobt ihren Ehrgeiz: „Sie hat ohnehin eine gute Grundausbildung am Skigymnasium in Oberwiesenthal mitbekommen. Und heuer hat sie von allen unseren Läufern am meisten trainiert und das, was die Rahmenplanung vorgibt, am besten umgesetzt.“Zudem arbeite sie am Stützpunkt in Oberstdorf konsequent mit bewährten Kräften wie ihrem Trainer Stefan Dotzler. Schlickenrieder: „Das ist der richtige Weg, um sich als Sportler stufenweise weiterzuentwickeln.“
Die längeren Distanzen stehen in Oberstdorf allerdings erst in der zweiten WM-Woche an. Zum Auftakt geht es am Mittwoch im Sprint um Medaillen – und der ist Schlickenrieders Sorgenkind. Obwohl er zu seiner aktiven Zeit selbst ein guter Sprinter war und über sich sagt: „Ich wäre nie ein Weltklasse-Distanzläufer geworden.“
Die Wurzel allen Übels liege in der Vergangenheit, meint der Coach. Man habe es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, „die schnellkräftigen Typen in den Seniorenbereich zu bringen. Wir hatten schon Junioren-Weltmeister, aber das Trainingssystem war gemacht für den Ausdauerathleten.“Schlickenrieder fordert: Man müsse in der Konzeption an den Grundmanifesten rütteln. Er meint: „Wer sich über kurze Distanzen durchsetzt, der braucht Technik, Ausdauer, taktisches Vermögen. All das, was den Langlaufsport auszeichnet. Darum werde ich nicht lockerlassen und das Thema vorantreiben. Aber wir brauchen Geduld.“