Warum die CoronaNotbremse bislang versagt hat
Statt der gesamten Republik sollen künftig nur einzelne Regionen in den Lockdown. Dieses Konzept hat schon einmal nicht funktioniert. Städte und Gemeinden fordern deshalb vom Bund, das Testen besser als das Impfen vorzubereiten
Berlin Bei den letzten Sätzen der Kanzlerin auf der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenrunde wurde Angela Merkel emotional: „Wenn wir dieses Vertrauen nicht mehr haben, dass Landräte, Bürgermeister und Gesundheitsämter gut arbeiten, dann können wir einpacken“, sagte Angela Merkel. „Das ist dann nicht unsere Bundesrepublik Deutschland.“
Das war Anfang Mai, als Deutschland nach sieben Wochen den ersten Corona-Lockdown mit der Öffnung von Friseursalons und Schulen hinter sich ließ. Zum Schutz vor einem erneuten Lockdown präsentierten die Regierungschefs von Bund und Ländern eine „Notbremse“: In jeder Region mit über 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner sollten Kreise und Städte eingreifen. Lockdowns sollten nur noch regional stattfinden.
Zu dem emotionalen Ausbruch der Kanzlerin kam es, als auf der Pressekonferenz ein Journalist fragte: „Wer sitzt an der Notbremse?“Er habe nicht ganz verstanden, wer das eigentlich überwacht: „Wie wollen Sie da verhindern, dass Fälle übersehen werden und dann ein neuer Fall wie in Ischgl auftaucht?“Am Ende behielt der Journalist recht: Die Notbremse griff nicht.
Auch Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom Mittwochabend setzen als zentrale Absicherung auf eine regionalisierte Notbremse: Nun sollen ab einem Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen Kreise und Städte in den Lockdown wechseln. Im vergangenen Jahr scheiterte das Konzept zunächst an Gerichten, die einen gesamten Landkreis-Lockdown bei lokalen Ausbrüchen für unverhältnismäßig hielten. Dann verzichteten immer mehr Landräte oder Bürgermeister auf das Instrument.
Und als in einer Vielzahl von Städten und Kreisen Deutschland im vergangenen Oktober in die zweite Welle schlitterte, ließen die allermeisten Politiker in den Ländern die Sache laufen, weil sie lokale Lockdowns für nicht praktikabel hielten, etwa weil sie dachten, dass die Bürger einfach ins Umland zum Einkaufen fahren würden. Der zweite Lockdown für die gesamte Bundesrepublik wurde damit mehr als doppelt so lang wie der erste. In der zweiten Welle starben zudem siebenmal mehr Menschen als in der ersten. Deutschland scheint sich daran gewöhnt zu haben: Als die Zahl der Corona-Toten just am Tag der Ministerpräsidentenkonferenz auf über die 70000er-Marke stieg, war dies für die Nachrichtenagenturen keine extra Meldung wert.
Funktioniert die „Notbremse“vor der dritten Welle? Tatsächlich befindet sich Flensburg mit seinen 86000 Einwohnern im Lockdown mit Ausgangssperre. Ob dort – wie im Rest Schleswig-Holsteins – am Montag die Geschäfte öffnen dürfen, ist noch unklar. Immerhin sank die Inzidenz in Flensburg seit Mitte Februar von 172 auf 145, während sie in Nachbarkreisen stieg.
Doch Kommunalverbände war nen vor „Ausweichverkehr“in Kreise mit größerer Lockerung. „Wenn etwa ein Landkreis eine niedrige Inzidenz hat, ein benachbarter Kreis aber deutlich über der Grenze von 100 liegt, wird man darauf achten müssen, dass kein Einkaufstourismus entsteht“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg unserer Redaktion. Ob die Notbremse funktioniert wird auch an der Umsetzung in den Verordnungen der Bundesländer liegen. Wir sind zuversichtlich, dass diese Regelung gerichtsfest umzusetzen ist.“
Dies sieht auch der Präsident des Deutschen Städtetages und Leipziger Oberbürgermeister, Burkhard Jung, so: „Einen Corona-Tourismus können wir nirgendwo gebrauchen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Städte sehen durchaus Raum für vorsichtige Öffnungsschritte“, betont der SPD-Politiker. „Diese müssen aber sicher und verlässlich sein, um keinen dritten Lockdown zu riskieren“, sagt er „Nötig ist aber auch, dass sich Städte
und Nachbarregionen, auch über Ländergrenzen hinweg, gut abstimmen“, fügt er hinzu.
Von Bund und Ländern fordert der Städtetagspräsident, sehr rasch die zentralen Fragen der Teststrategie zu klären und für ausreichende Testkits zu sorgen. „Damit es am Montag losgehen kann, müssen Bund und Länder ausreichend Testkits beschaffen. Die Enttäuschung beim Start der Impfkampagne darf sich nicht wiederholen“, warnt Jung. „Wir wollen verhindern, dass diese Teststationen überrannt werden, weil viele gleichzeitig für den Restaurant- oder Kinobesuch einen bescheinigten Negativ-Test brauchen.“Prinzipiell seien mehr Schnell- und Selbsttests für Öffnungsschritte hilfreich: „Testen und Öffnen sind ein gutes Gespann“, betont der Oberbürgermeister.
Auch Städtebund-Geschäftsführer Landsberg sagt: Wir brauchen gerade mit Blick auf die SchnelltestStrategie jetzt schnell Klarheit, wer welche Aufgaben, etwa bei Beschaffung der Tests, übernimmt.“Zudem fordert er von Bund und Ländern eine digitale Lösung zur Erfassung der Testergebnisse und zur Vergabe von Testterminen.