Wenn Eltern rätseln
Zeugnisbemerkungen sind oft kryptisch
Augsburg Häufig versuchen Eltern und Schüler, die schriftliche Beurteilung im Zeugnis in Noten zu übersetzen – bei einer Fünf in Mathe versteht immerhin jeder, was los ist.
Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, warnt davor. Für Mitarbeit, Sozial- und Arbeitsverhalten gebe es aus gutem Grund keine Schulnoten. „Schüler brauchen ein stark individuelles Feedback“, sagt sie. An Grund- und Mittelschulen werden Stärken und Schwächen genau beschrieben – Textbausteine seien wenig aussagekräftig.
In anderen Schularten bestehen Zeugnisbemerkungen oft aus nur zwei oder drei Sätzen. Während Grundschul-Klassleiter jeden Tag viel Zeit mit ihrer Klasse verbringen, unterrichten Lehrer an Gymnasium oder Realschule hunderte Schüler. Auch eine knappe Beschreibung sei besser als keine, findet Fleischmann, „weil Schüler ganzheitlich in ihrem Lern-, Arbeitsund Sozialverhalten beschrieben werden sollen“. Auch Benedikt Karl vom Bayerischen Philologenverband betont, Mitarbeit und Verhalten seien „nicht mit einer Note fassbar“. Er sagt: „Ich würde nicht dazu raten, die große Interpretationsmaschine anzuwerfen.“Die Bemerkungen seien nicht immer vergleichbar, Lehrer würden unterschiedlich formulieren, je nach Schule gebe es Besonderheiten.
Ganz wird man das Interpretieren aber kaum verhindern, schließlich lassen viele Begriffe Spielraum. Was etwa, wenn im Zeugnis steht: „Sebastian ist ein rationaler Schüler“? Ein gutes Beispiel für einen Begriff, der nicht klar in der Bedeutung ist, findet Fleischmann. „Das heißt, Sebastian kann klar denken und löst Aufgaben eher mit dem Kopf“– wenn es sich auf die Mitarbeit bezieht. Anderes wäre es, wenn es heißt: „Sebastian ist ein rationaler Schüler, der aber in der Zusammenarbeit in der Gruppe nicht immer auf die Meinungen der Mitschüler eingehen kann.“Bezogen auf das Sozialverhalten würde das fehlende Empathie bescheinigen. Eltern und Schüler würden aber nicht von einer Bemerkung über problematisches Verhalten überrascht, betont Karl. Eine wirklich negative Bemerkung hat eine Vorgeschichte – dann gab es bereits Kontakt mit den Eltern.