Raus aus der Blase, rein ins Loch
Sie sagen es meistens in den Stunden ihres größten Erfolgs. Es werde, erklären Sportler dann, wohl noch ein paar Tage dauern, „bis ich das alles realisiere“. Diese Tage nach dem Wettkampf braucht’s, um die Gedankenwelt zu sortieren. Um dem Körper Ruhe zu gönnen. Da wird es den Sportlerinnen und Sportlern, die in den vergangenen beiden Wochen bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf am Start waren, nicht anders gehen. Raus aus der Corona-Blase, rein in den Alltag. Alles das nachholen, worauf zuletzt in der Parallelwelt dieser Titelkämpfe verzichtet werden musste. Skispringerin Katharina Althaus zum Beispiel hat nach ihrer Abreise erst einmal ein Frühstück daheim genossen. Sie wird aber schon bald wieder im gewohnten Sportler-Rhythmus sein. Trainieren, trainieren, trainieren. Heute Leistungsvergleich, morgen Analyse. Und wir Journalisten?
Für uns hat sich jetzt zwei Wochen lang alles um den Wintersport gedreht. Um Skispringen, Langlaufen und die Kombinierer. Wir fürchten uns vor dem großen Loch, in das wir jetzt fallen könnten. Wie nach einer Fußball-WM, wenn am Tag eins nach dem Finale plötzlich das runde Leder nicht mehr rollt. Kein langsames Entwöhnen, sondern eiskalter Entzug. Den Terminkalender dominieren nicht mehr die Erinnerungen an den nächsten Nasenabstrich im Testzentrum. Stattdessen warten daheim eine virtuelle Versammlung des örtlichen Sportvereins und der Zahnarzttermin mit den Kindern.
Kulinarisch geht’s zurück in eine andere Liga. Zwölf Tage Lieferservice, Pizza und Pasta, Gyros und Geschnetzeltes, haben unsere Körper
geformt. Darf man bei unförmig eigentlich überhaupt von geformt sprechen? Jetzt wird wieder selbst gekocht. Wobei eine strenge Diät wohl angebrachter wäre. Das gilt auch für den Fernsehkonsum. Um sich abends nach getaner Arbeit ein bisschen abzulenken, haben wir in unserer WM-WG so ziemlich alles konsumiert, was sich Sport nennt. Das wird die Frau nicht mehr durchgehen lassen. Jetzt wird zur Primetime auf der Mattscheibe wieder getanzt und gesungen. Und wenn dann beim Abendessen am Tisch die Witze und blöden Sprüche, die im Kollegenkreis so gut angekommen sind, plötzlich nicht mehr funktionieren, ja, erst dann werde ich vermutlich realisieren: Die WM ist vorbei, die Blase verlassen. Willkommen daheim!