Nur ein gemütlicher Bayer in Jägerkluft?
Heute vor 200 Jahren wurde Prinzregent Luitpold geboren. Seine offene Art war beliebt. Warum seine größte Stärke vielleicht das Ende der bayerischen Monarchie mitbesiegelte
München Unterschiedlicher hätten Neffe und Onkel wohl nicht sein können: Ludwig II., der junge entrückte Märchenkönig, und Prinz Luitpold von Bayern, der gemütliche Greis und Naturbursche in Tracht. Für Margot Hamm vom Haus der Bayerischen Geschichte verkörpern die Verwandten zwei Extreme: „Ludwig war wie ein Phantom“, sagt sie. Luitpold dagegen sei immer leutselig, offen und bürgernah gewesen. Während heutzutage Millionen von Touristen die Schlösser des einen besuchen, bringen die Prinzregentenstraßen in München oder Augsburg Menschen einfach nur von A nach B und selten zum Staunen.
Der Namenspatron bayerischer Straßen und Plätze, Luitpold von Bayern, kam am 12. März 1821 und damit vor genau 200 Jahren zur Welt. Besonders praktisch veranlagt muss der Prinzregent gewesen sein, so erzählt man sich heute. Diese Charaktereigenschaft zeichnete auch sein Handeln aus, als es 1886 darum ging, Bayern vor dem Bankrott
zu retten. Ludwigs II. Begeisterung für teure Anwesen und seine menschenscheue Art sollten auch Luitpolds Schicksal mitbestimmen: Nachdem König Ludwig erst die Regierungsuntauglichkeit diagnostiziert wurde und er drei Tage später im Starnberger See ertrank, war es Luitpold, der als Vertreter für den ebenfalls psychisch kranken Bruder des Königs Otto I. das stark verschuldete Königreich beerbte. Am 28. Juli 1886 leistete er den Regierungseid als „des Königreichs Bayern Verweser“: Der Prinzregent war geboren – und das im Alter von 65 Jahren. Den Königstitel sollte erst sein Sohn und Nachfolger, Ludwig III., wieder beanspruchen, um mit dem Ende des Ersten Weltkrieges als letzter König Bayerns in die Geschichte einzugehen.
Von Eskapaden wissen Historiker heute nichts. Freilich, Zigarren gehörten zum Lebensstil des Monarchen, weiß Historikerin Hamm. Der Monarch sei auch passionierter Schwimmer gewesen. Und noch bis ins hohe Alter soll der Jägerhutträger mit dem Rauschebart die Berge seiner Heimat bezwungen haben und dabei sowohl mit Adligen als auch Bauern gerne ins Gespräch gekommen sein. Hamm verdeutlicht: „Wer an Prinzregent Luitpold denkt, hat weniger einen Herrscher vor Augen als einen Mann in Jägerkluft.“Trotz seiner militärischen Ausbildung habe Genussmensch Luitpold nichts vom asketischen Auftreten eines Wilhelm II., Preuße und deutscher Kaiser, gehabt: ein Ur-Bayer eben.
War Luitpolds Amtsantritt noch holprig verlaufen, machte ihn sein Auftreten schnell beliebt. Eine Eigenschaft, die nicht nur Vorteile für die Monarchie hatte, sagt Historikerin Hamm. Die mystische Aura der Monarchen, die der tragische Märchenkönig wie kein Zweiter beherrschte und Menschen heute noch fasziniert, wurde mit Luitpold beendet. „Mit Luitpold wurde die Monarchie bürgerlicher.“Die Bevölkerung erkämpfte sich im Laufe der Zeit neue Rechte und Freiheiten, wurde selbstbewusster – und die Frage, ob es die Monarchie im 20. Jahrhundert noch braucht, wurde noch präsenter in den Köpfen der Menschen.
Einen Einfluss auf Luitpolds Position hatte dies jedoch nicht. Der Prinzregent blieb bis zu seinem Tod, datiert auf die Schnapszahl 12.12.1912, im Amt. Er erreichte ein Alter von 91 Jahren.
Repro: Wagner