Einzigartiges aus alten Klamotten
Aus Alt mach Neu: Die Ellgauerin Marion Wetzel hat das Upcycling zum Beruf gemacht. In ihrem Laden in Ellgau verkauft sie Kleidung, die sie aus gebrauchten Stoffen gefertigt hat
Ellgau Wenn vor der Haustür von Marion Wetzel in Ellgau eine Tüte mit Kleidung steht, dann verflucht sie nicht etwa denjenigen, der Altkleider vor ihrer Tür abgeladen hat. Stattdessen freut sie sich über das neue Material, aus dem sie Hosen, Oberteile, Mützen, Kleider und viele weitere Kleidungsstücke schneidern kann. Einiges wird zu Prototypen neuer Kleidungsstücke. Anderes wird direkt zu neuer Kleidung. Denn Marion Wetzel macht aus alten, gebrauchten und neuen Stoffen neue Kleidungsstücke.
Erst im Oktober 2020 hat sie aus der Leidenschaft zum Nähen ein Geschäft gemacht. Sie tüftelt nun nicht nur an neuen Schnitten, sondern auch an einem unternehmerischen Auftritt. Bei Instagram stellt sie als MariWEll ihre selbst geschneiderte Kleidung vor, und auch ein eigener Onlineshop soll folgen. Doch am liebsten würde sie nur nähen, nähen, nähen, erklärt sie und schwärmt mit einem Funkeln in den Augen: „Jedes Kleidungsstück ist wie eine kleine Geburt.“
Von langer Hand geplant war diese berufliche Perspektive nicht. Auch das Schneiderhandwerk hat die gelernte Arzthelferin nie von der Pike auf gelernt. Stattdessen hat sich die Ellgauerin in den vergangenen Jahren eher selbst überrascht. In der Zeit rund um die Geburt von Töchterchen Matilda vor vier Jahren klemmte sie sich immer wieder hinter die Nähmaschine und erweckte alte Kleidungsstücke zu neuem Leben. In den vergangenen Jahren ist daraus mehr als nur ein Hobby geworden.
Aus der Überzeugung heraus, dass vieles einfach zu schade sei, um es wegzuwerfen, und dem Wissen, dass Kinder manchmal schneller wachsen, als die Eltern für Kleidungsnachschub sorgen können, fertigt Marion Wetzel praktisch-gemütliche Einzelstücke für Kinder, Jugendliche, Frauen und für ganze Familien. Eine FamilienmützenKollektion für die kalte Jahreszeit hat Marion Wetzel schon umgesetzt. Auch für neue Produkte, beispielsweise fluffig-bequeme Sommerhosen, gibt es bereits Prototypen.
Die Idee, vermeintlich alte Kleidung weiterzutragen, verfolgt Marion Wetzel privat schon eine Weile. Sie selbst trägt gerne, was sie geschenkt bekommt. Alles neu zu kaufen, wäre purer Luxus, auf den die 44-Jährige gut verzichten kann. Auch Sonntagskleidung gibt es für sie nicht. Zu den „Designern“, die der von ihr geschneiderten Kleidung den Stil und den Schnitt geben, zählten echte Profis, erklärt sie und lacht.
Töchterchen Matilda, die sich aus Spaß am Verkleiden die Strumpfhose über den Kopf stülpte, lieferte die Inspiration für eine witzige Kindermütze. Auch Mamas übergroßes Shirt, das sich die Kleine schnappte, wird zur Vorlage eines lässigen Kleides. Auch andere Mamas sind die Designer der Kleidungsstücke, die Marion Wetzel kreiert. So kamen Mütter bereits mit der gezielten Anfrage einer Sweatjacke ohne Kapuze auf Marion Wetzel zu – denn die Kapuze sei in Babyschale, Kindersitz und Kinderwagen oftmals störend.
Im Einkaufslädchen in Ellgau gibt es zahlreiche Unikate. Yogakissen, Mützen, Taschen und gemütliche Kinder-Jogginghosen aus Jeansstoff bietet Marion Wetzel hier zum Verkauf. Einigen Kunden bietet sie zudem einen Mitwachsservice an: Dabei reserviert sie passenden Stoff für die Zeit nach dem Wachstumsschub und verlängert dann das Kleidungsstück um einige Zentimeter. Auch Töchterchen Matilda hat mitwachsende Kleider, die vom Kleid zum Shirt werden und durch einige angenähte Streifen am Ende des Rocksaums dann wieder zum Kleid umfunktioniert werden können.
Kleidung für ihre Tochter sowie die Produkte, die zum Verkauf stehen, schneidert Marion Wetzel aus Kleiderspenden und aus neuen Stoffen – je nach Kundenwunsch. Hinzu kommen trendige Hobby-Horses oder Erstlingssets für Neugeborene. Dass aus ihrem neuen Hobby ihr Beruf werden könnte, sieht die 44-Jährige als große Chance. Sie kann – gerade jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie – als Risikopatientin zu Hause arbeiten, und das sogar ohne Maske. Auch für Töchterchen Matilda kann sie da sein, wenn die Vierjährige nicht in den Kindergarten gehen darf.
Diese berufliche Perspektive war nicht etwa lange geplant