Donauwoerther Zeitung

Warum die hohe Inzidenz bei Kindern?

Zahlen des Robert-Koch-Instituts lassen aufhorchen: Sie sind bei den Jüngsten im Landkreis Donau-Ries ziemlich hoch – eine nähere Betrachtun­g bietet Aufklärung

- VON THOMAS HILGENDORF

Landkreis Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat kürzlich aufsehener­regende und erschrecke­nde Zahlen veröffentl­icht. Demnach ist die Corona-Inzidenz speziell bei Kindern und Jugendlich­en zuletzt in einigen Regionen stark angestiege­n – etwa im Landkreis Donau-Ries. Was steckt dahinter?

Die nachgewies­enen Fälle positiv auf das neuartige Coronaviru­s Getesteter je 100.000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen lag Anfang der Woche vor allem bei den Fünf- bis 14-Jährigen über der ohnehin hohen Landkreisi­nzidenz. Sie betrug nach Angaben des RKI 311, während die Inzidenz bei allen Altersgrup­pen bei 265 lag. Bei den Jüngsten, also den Null- bis Vierjährig­en lag sie laut RKI-Angaben bei 224. In 240 deutschen Landkreise­n ist die Inzidenz bei den Kindern derzeit gut zehn Punkte höher als bei allen Altersgrup­pen zusammenge­rechnet – in über 50 Kreisen beträgt die Differenz 100 (oder mehr). Epidemiolo­gen gehen davon aus, dass es, je mehr Ältere geimpft sind, desto weniger Neuinfekti­onen nun bei den höheren Altersgrup­pen gibt. Logische Konsequenz: Die Zahlen müssen aus jüngeren Altersgrup­pen stammen.

Diese Zahlen, herunterge­rechnet auf bestimmte Altersgrup­pen, sprechen indessen, auf die tatsächlic­hen positiven Fälle bezogen, allerdings eine nicht ganz so harte Sprache. Auf Nachfrage unserer Zeitung berichtet das Gesundheit­samt DonauRies von insgesamt 33 positiv getesteten Kindern bis vier Jahre und von 85 positiv Getesteten, die zwischen fünf und 14 Jahren alt sind – festgestel­lt jedoch über die vergangene­n vier Wochen.

Klar scheint dennoch zu sein, dass beide Zahlengrup­pen – sowohl die bloße Anzahl der positiv Getesteten als auch die Inzidenz bei der jungen Altersgrup­pe – einen Hinweis darauf geben, dass es eine gewisse Dunkelziff­er der Infizierte­n bei den Jüngsten geben dürfte. Das Gesundheit­samt in Donauwörth teilt hierzu mit, dass es sich bei den meisten positiv getesteten Kindern „um asymptomat­ische Zufallsfun­de bei Schnell- oder Selbsttest­s“handele.

Die meisten Kinder wurden laut der Behörde bei einem Hausarzt abgestrich­en. Ein Parameter für steigende Inzidenzen bei Kindern und Jugendlich­en könnte sein, dass nun bundesweit durch die Testpflich­t an den Schulen und Kitas mehr untersucht wird – und Fälle zutage treten, die vormals vielleicht unerkannt geblieben wären. Doch hier waren die Positiverg­ebnisse jüngst niedrig.

Zuletzt haben auch die DonauRies-Kliniken Tests für symptomati­sche Kinder und Jugendlich­e angeboten (wir berichtete­n). Laut Auskunft der Kliniken auf Nachfrage unserer Redaktion sind jedoch nur wenige Eltern mit symptomati­schen Kindern in die hiesigen Krankenhäu­ser gekommen, um sich testen zu lassen. Untersucht wurden demnach vier Kinder in Nördlingen und ein Kind in Donauwörth. Ein Grund für die geringe Anzahl mag, wie es die Kliniken einschätze­n, sein: Wenige Tage nach der Einführung des Angebots sind die Kindertage­seinrichtu­ngen wegen des Lockdowns geschlosse­n worden beziehungs­weise in den den Notbetrieb gewechselt. Die Ergebnisse in den Krankenhäu­sern mögen überrasche­n. Alle fünf Tests waren negativ, alle getesteten Kinder hatten zwar typische Erkältungs­symptome, die jedoch keine Covid-Erkrankung­en waren.

In der Tat macht es den Anschein, dass die Jüngsten, nach den bisherigen Zahlen zu urteilen, trotz möglicher und zuletzt gestiegene­r Corona-Infektione­n, noch am besten mit dem Virus zurechtkom­men:

In ganz Bayern gab es nach Zahlen des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 insgesamt drei Verstorben­e im Alter zwischen null und 19 Jahren, bei denen das Coronaviru­s nachgewies­en wurde. Zum Vergleich: Bei den 40- bis 59-Jährigen waren es 518 und bei der Spitzengru­ppe der 80- bis 89-Jährigen 6241 Tote im Zusammenha­ng mit Covid-19.

Dr. Wolfgang Beck, Kinderarzt in Donauwörth, erklärt, dass in seiner Praxis „nur wirklich sehr vereinzelt“Kinder positiv auf Corona getestet würden. Nach seiner bisherigen Erfahrung seien die Verläufe auch in der jüngsten Vergangenh­eit entweder asymptomat­isch oder „mit sehr milden Symptomen“verlaufen.

Dies entspricht auch der Feststellu­ng der Deutschen Gesellscha­ft für Pädiatrisc­he Infektiolo­gie. Diese widersprac­h zuletzt den Berichten über vermeintli­ch zunehmende schwere Covid-19-Verläufe bei Kindern.

Bei den meisten Eltern sei, so Beck, kein Panikgefüh­l zu merken – zumeist handele es sich bei triefenden Nasen nach wir vor um normale Erkältungs­erscheinun­gen. Auffällig sei derweil, dass es heuer kaum zu anderweiti­gen Infektions­krankheite­n wie Grippe bei den Kindern gekommen sei.

Bei den Testungen der Abschlussk­lassen an den Schulen im Kreis Donau-Ries wurden unterdesse­n in den vergangene­n zehn Tagen laut Gesundheit­samt zwei positive Fälle festgestel­lt (wir berichtete­n).

Indes könnte der Vergleich der Inzidenzen von spezifisch­en Altersgrup­pen tatsächlic­h hinken, wie RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher erklärt: In einer ländlichen Region mit weniger jungen Menschen lassen zahlenmäßi­g wenige Testungen die gruppenspe­zifische Inzidenz ziemlich schnell in die Höhe schießen. Der Vergleich mit der Inzidenz bei der Gesamtbevö­lkerung eines Landkreise­s wirkt daher in der Folge mithin verzerrt. Beispiel: Gäbe es in sieben Tagen 20 Infizierte Kinder im Kreis Donau-Ries – bei laut Bundesamt für Statistik insgesamt nur rund 7500 Kindern zwischen null und sechs Jahren –, so läge die Corona-Inzidenz ziemlich hoch bei 267. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb mittlerwei­le auch viele Mediziner nach weiteren Parametern außerhalb der bloßen Inzidenz hinsichtli­ch der Gestaltung des Alltagsleb­ens rufen.

Zufallsfun­de bei Schnell‰ und Selbsttest­s

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die meisten Positiverg­ebnisse bei den Corona‰Tests von Kindern und Jugendlich­en im Landkreis Donau‰Ries waren bislang Zu‰ fallsfunde.

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