Warum die hohe Inzidenz bei Kindern?
Zahlen des Robert-Koch-Instituts lassen aufhorchen: Sie sind bei den Jüngsten im Landkreis Donau-Ries ziemlich hoch – eine nähere Betrachtung bietet Aufklärung
Landkreis Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat kürzlich aufsehenerregende und erschreckende Zahlen veröffentlicht. Demnach ist die Corona-Inzidenz speziell bei Kindern und Jugendlichen zuletzt in einigen Regionen stark angestiegen – etwa im Landkreis Donau-Ries. Was steckt dahinter?
Die nachgewiesenen Fälle positiv auf das neuartige Coronavirus Getesteter je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen lag Anfang der Woche vor allem bei den Fünf- bis 14-Jährigen über der ohnehin hohen Landkreisinzidenz. Sie betrug nach Angaben des RKI 311, während die Inzidenz bei allen Altersgruppen bei 265 lag. Bei den Jüngsten, also den Null- bis Vierjährigen lag sie laut RKI-Angaben bei 224. In 240 deutschen Landkreisen ist die Inzidenz bei den Kindern derzeit gut zehn Punkte höher als bei allen Altersgruppen zusammengerechnet – in über 50 Kreisen beträgt die Differenz 100 (oder mehr). Epidemiologen gehen davon aus, dass es, je mehr Ältere geimpft sind, desto weniger Neuinfektionen nun bei den höheren Altersgruppen gibt. Logische Konsequenz: Die Zahlen müssen aus jüngeren Altersgruppen stammen.
Diese Zahlen, heruntergerechnet auf bestimmte Altersgruppen, sprechen indessen, auf die tatsächlichen positiven Fälle bezogen, allerdings eine nicht ganz so harte Sprache. Auf Nachfrage unserer Zeitung berichtet das Gesundheitsamt DonauRies von insgesamt 33 positiv getesteten Kindern bis vier Jahre und von 85 positiv Getesteten, die zwischen fünf und 14 Jahren alt sind – festgestellt jedoch über die vergangenen vier Wochen.
Klar scheint dennoch zu sein, dass beide Zahlengruppen – sowohl die bloße Anzahl der positiv Getesteten als auch die Inzidenz bei der jungen Altersgruppe – einen Hinweis darauf geben, dass es eine gewisse Dunkelziffer der Infizierten bei den Jüngsten geben dürfte. Das Gesundheitsamt in Donauwörth teilt hierzu mit, dass es sich bei den meisten positiv getesteten Kindern „um asymptomatische Zufallsfunde bei Schnell- oder Selbsttests“handele.
Die meisten Kinder wurden laut der Behörde bei einem Hausarzt abgestrichen. Ein Parameter für steigende Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen könnte sein, dass nun bundesweit durch die Testpflicht an den Schulen und Kitas mehr untersucht wird – und Fälle zutage treten, die vormals vielleicht unerkannt geblieben wären. Doch hier waren die Positivergebnisse jüngst niedrig.
Zuletzt haben auch die DonauRies-Kliniken Tests für symptomatische Kinder und Jugendliche angeboten (wir berichteten). Laut Auskunft der Kliniken auf Nachfrage unserer Redaktion sind jedoch nur wenige Eltern mit symptomatischen Kindern in die hiesigen Krankenhäuser gekommen, um sich testen zu lassen. Untersucht wurden demnach vier Kinder in Nördlingen und ein Kind in Donauwörth. Ein Grund für die geringe Anzahl mag, wie es die Kliniken einschätzen, sein: Wenige Tage nach der Einführung des Angebots sind die Kindertageseinrichtungen wegen des Lockdowns geschlossen worden beziehungsweise in den den Notbetrieb gewechselt. Die Ergebnisse in den Krankenhäusern mögen überraschen. Alle fünf Tests waren negativ, alle getesteten Kinder hatten zwar typische Erkältungssymptome, die jedoch keine Covid-Erkrankungen waren.
In der Tat macht es den Anschein, dass die Jüngsten, nach den bisherigen Zahlen zu urteilen, trotz möglicher und zuletzt gestiegener Corona-Infektionen, noch am besten mit dem Virus zurechtkommen:
In ganz Bayern gab es nach Zahlen des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 insgesamt drei Verstorbene im Alter zwischen null und 19 Jahren, bei denen das Coronavirus nachgewiesen wurde. Zum Vergleich: Bei den 40- bis 59-Jährigen waren es 518 und bei der Spitzengruppe der 80- bis 89-Jährigen 6241 Tote im Zusammenhang mit Covid-19.
Dr. Wolfgang Beck, Kinderarzt in Donauwörth, erklärt, dass in seiner Praxis „nur wirklich sehr vereinzelt“Kinder positiv auf Corona getestet würden. Nach seiner bisherigen Erfahrung seien die Verläufe auch in der jüngsten Vergangenheit entweder asymptomatisch oder „mit sehr milden Symptomen“verlaufen.
Dies entspricht auch der Feststellung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Diese widersprach zuletzt den Berichten über vermeintlich zunehmende schwere Covid-19-Verläufe bei Kindern.
Bei den meisten Eltern sei, so Beck, kein Panikgefühl zu merken – zumeist handele es sich bei triefenden Nasen nach wir vor um normale Erkältungserscheinungen. Auffällig sei derweil, dass es heuer kaum zu anderweitigen Infektionskrankheiten wie Grippe bei den Kindern gekommen sei.
Bei den Testungen der Abschlussklassen an den Schulen im Kreis Donau-Ries wurden unterdessen in den vergangenen zehn Tagen laut Gesundheitsamt zwei positive Fälle festgestellt (wir berichteten).
Indes könnte der Vergleich der Inzidenzen von spezifischen Altersgruppen tatsächlich hinken, wie RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher erklärt: In einer ländlichen Region mit weniger jungen Menschen lassen zahlenmäßig wenige Testungen die gruppenspezifische Inzidenz ziemlich schnell in die Höhe schießen. Der Vergleich mit der Inzidenz bei der Gesamtbevölkerung eines Landkreises wirkt daher in der Folge mithin verzerrt. Beispiel: Gäbe es in sieben Tagen 20 Infizierte Kinder im Kreis Donau-Ries – bei laut Bundesamt für Statistik insgesamt nur rund 7500 Kindern zwischen null und sechs Jahren –, so läge die Corona-Inzidenz ziemlich hoch bei 267. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb mittlerweile auch viele Mediziner nach weiteren Parametern außerhalb der bloßen Inzidenz hinsichtlich der Gestaltung des Alltagslebens rufen.
Zufallsfunde bei Schnell und Selbsttests