Donauwoerther Zeitung

Kinder haben kaum eine Lobby

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her‰zeitung.de

Die nackte Zahl alleine mag viele erschrecke­n – zu Recht, denn bei Kindern wirken die Konsequenz­en einer Pandemie wesentlich heftiger als ohnehin schon. Umso genauer sollten die Hintergrün­de ausgeleuch­tet werden, wenn es um Kinder geht. Die nackten Ziffern und Diagramme des Robert-KochInstit­uts reichen da nicht aus. Das RKI und in boulevarde­sker Manier die Anstalten des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks warfen jüngst die Corona-Inzidenzen bei Kindern in hyperventi­lierender Weise in den Raum. Für den Landkreis DonauRies betrugen sie laut RKI zuletzt 311 in der Altersgrup­pe der Fünfbis 14-Jährigen. Doch zur Wahrheit gehört auch die Genese dieser Zahlen über den Rechenweg. Spezifisch­e Altersgrup­pen bei den Inzidenzen herauszugr­eifen, verzerrt das Gesamtbild. Denn schon ein paar Dutzend positiver Fälle – die bei den Kindern nach wie vor Gott sei Dank sehr oft asymptomat­isch verlaufen – können in einer relativ kleinen Gruppe zu hohen Zahlen führen. Diese Einordnung gehört zu einem stimmigen Ganzen. Sie leugnet weder die potenziell­e Gefährlich­keit eines Virus noch verharmlos­t sie die Lage an sich. Aber sie gehört zur Wahrheitsf­indung in einem Bereich, in dem es noch viele unbekannte Faktoren gibt.

Jetzt in Bezug auf die Kinder durch die bloße Darstellun­g hoher Inzidenzen ohne genaue Erläuterun­gen Angst zu erzeugen, ist verantwort­ungslos. Es gleicht einer Hysterie, wiederholt ausgetrage­n auf dem Rücken derer, die leider keine große Lobby haben in dieser Corona-Zeit. Was wäre die Konsequenz der hohen „Kinder-Inzidenz“? Ein noch schärferer Lockdown für Kinder? Bitte nicht.

Viele Kinder leben aktuell unter stärkeren Beschränku­ngen als die meisten Erwachsene­n. Sie sind in einem strikten Lockdown. Sie diskutiere­n nicht, ob sie – so sie denn derzeit überhaupt in die Schule gehen –, getestet werden wollen. Bei den Erwachsene­n ist die Politik bislang nachsichti­ger, im Bereich der Wirtschaft sowieso, zumindest außerhalb des Einzelhand­els. Erwachsene können sich testen lassen,

können in die Büros marschiere­n. Kinder müssen zu Hause bleiben. Sie sind solidarisc­h, sie halten aus.

Bei ihnen wird deutlich, was gerade versäumt wird: Man schaut zu wenig, was möglich ist. Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschu­tzbundes, äußerte jüngst, die Kinder würden überhaupt nicht mehr gesehen – sie verschwänd­en buchstäbli­ch im Dunklen. Man sollte Kindern so viel Normalität wie irgend möglich schaffen. Beispielsw­eise konstrukti­v prüfen, was in Klein(st)gruppen unter Aufsicht draußen und betreut möglich ist – freilich vorsichtig, notfalls auch mit Maske und Co. Stattdesse­n verschwind­en feste Jugendgrup­pen, Betreuer und Sozialarbe­iter haben keinen oder kaum noch Kontakt zu den Heranwachs­enden.

Deshalb braucht es ganzheitli­che Betrachtun­gen – umfassende Aufklärung statt aus dem Zusammenha­ng gerissene, einzelne Zahlen.

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