Kinder haben kaum eine Lobby
Die nackte Zahl alleine mag viele erschrecken – zu Recht, denn bei Kindern wirken die Konsequenzen einer Pandemie wesentlich heftiger als ohnehin schon. Umso genauer sollten die Hintergründe ausgeleuchtet werden, wenn es um Kinder geht. Die nackten Ziffern und Diagramme des Robert-KochInstituts reichen da nicht aus. Das RKI und in boulevardesker Manier die Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks warfen jüngst die Corona-Inzidenzen bei Kindern in hyperventilierender Weise in den Raum. Für den Landkreis DonauRies betrugen sie laut RKI zuletzt 311 in der Altersgruppe der Fünfbis 14-Jährigen. Doch zur Wahrheit gehört auch die Genese dieser Zahlen über den Rechenweg. Spezifische Altersgruppen bei den Inzidenzen herauszugreifen, verzerrt das Gesamtbild. Denn schon ein paar Dutzend positiver Fälle – die bei den Kindern nach wie vor Gott sei Dank sehr oft asymptomatisch verlaufen – können in einer relativ kleinen Gruppe zu hohen Zahlen führen. Diese Einordnung gehört zu einem stimmigen Ganzen. Sie leugnet weder die potenzielle Gefährlichkeit eines Virus noch verharmlost sie die Lage an sich. Aber sie gehört zur Wahrheitsfindung in einem Bereich, in dem es noch viele unbekannte Faktoren gibt.
Jetzt in Bezug auf die Kinder durch die bloße Darstellung hoher Inzidenzen ohne genaue Erläuterungen Angst zu erzeugen, ist verantwortungslos. Es gleicht einer Hysterie, wiederholt ausgetragen auf dem Rücken derer, die leider keine große Lobby haben in dieser Corona-Zeit. Was wäre die Konsequenz der hohen „Kinder-Inzidenz“? Ein noch schärferer Lockdown für Kinder? Bitte nicht.
Viele Kinder leben aktuell unter stärkeren Beschränkungen als die meisten Erwachsenen. Sie sind in einem strikten Lockdown. Sie diskutieren nicht, ob sie – so sie denn derzeit überhaupt in die Schule gehen –, getestet werden wollen. Bei den Erwachsenen ist die Politik bislang nachsichtiger, im Bereich der Wirtschaft sowieso, zumindest außerhalb des Einzelhandels. Erwachsene können sich testen lassen,
können in die Büros marschieren. Kinder müssen zu Hause bleiben. Sie sind solidarisch, sie halten aus.
Bei ihnen wird deutlich, was gerade versäumt wird: Man schaut zu wenig, was möglich ist. Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, äußerte jüngst, die Kinder würden überhaupt nicht mehr gesehen – sie verschwänden buchstäblich im Dunklen. Man sollte Kindern so viel Normalität wie irgend möglich schaffen. Beispielsweise konstruktiv prüfen, was in Klein(st)gruppen unter Aufsicht draußen und betreut möglich ist – freilich vorsichtig, notfalls auch mit Maske und Co. Stattdessen verschwinden feste Jugendgruppen, Betreuer und Sozialarbeiter haben keinen oder kaum noch Kontakt zu den Heranwachsenden.
Deshalb braucht es ganzheitliche Betrachtungen – umfassende Aufklärung statt aus dem Zusammenhang gerissene, einzelne Zahlen.