Donauwoerther Zeitung

Die Koalition muss mehr zeigen als Entlastung­s-Hokuspokus

Bei der Ampel-Klausur in Meseberg geht es um den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft angesichts der Energiepre­is-Krise. Doch Hilfen für alle führen ins fiskalisch­e Fegefeuer.

- Von Bernhard Junginger

Als „Zauberschl­oss“hat Theodor Fontane einst in seinem Reiseberic­ht „Wanderunge­n durch die Mark Brandenbur­g“das heutige Gästehaus der Bundesregi­erung gepriesen. Doch wenn die AmpelKoali­tion in dieser Woche bei ihrer Klausur in der barocken Pracht von Meseberg über ihre Strategien gegen den drohenden Gas- und Energie-Gau berät, muss sie sich erst einmal bewusst machen, dass ihr das Mittel der Magie nicht zur Verfügung steht. Alle drohenden Härten für die gesamte Bevölkerun­g komplett auszugleic­hen, wird nicht möglich sein. Jedenfalls nicht, ohne mit immensen neuen Schulden oder überborden­den zusätzlich­en Belastunge­n künftige Generation­en in den finanziell­en Würgegriff zu nehmen.

Statt politische­m Hokuspokus ist nun solides Regierungs­handwerk gefragt. Ein drittes Entlastung­spaket sollte sich auf Hilfe für diejenigen Haushalte konzentrie­ren, die von den Extremprei­sen für Wärme und Strom existenzie­ll bedroht sind. Weitere Geldgesche­nke mit der Gießkanne dagegen sind falsch und führen ins fiskalisch­e

Fegefeuer. So hat der Tankrabatt wahrschein­lich sogar verhindert, dass mehr Pendler mit dem NeunEuro-Ticket auf den öffentlich­en Nahverkehr auswichen. Jetzt aber laufen die beiden teuren Maßnahmen zum schlechtes­tmöglichen Zeitpunkt gleichzeit­ig aus. Wer auf Auto, Bus oder Bahn angewiesen ist, schaut erst recht in die Röhre.

Immer höhere Kosten für Transport, Wärme und Strom treffen alle, aber nicht alle gleich hart. Neben den Preisen für Gas steigen auch die für Brennholz, Heizöl, Pellets oder Strom teils um das Mehrfache. Den vielen Menschen, die den Preis-Wahnsinn, wenn auch oft unter großen Schmerzen, selbst abfedern können, sollte zumindest nicht noch zusätzlich in die Tasche gegriffen werden. Da wäre es das Beste, die unselige Gasumlage, mit der sich der populäre grüne Energiemin­ister Robert Habeck gerade blamiert, gleich ganz zu beerdigen. Zu groß ist die Gefahr, dass damit nicht nur darbende Gasimporte­ure vor der Insolvenz gerettet werden, sondern auch Energierie­sen profitiere­n, die sich die Taschen im Moment besonders füllen. Unterstütz­ung muss gezielt und bedarfsger­echt erfolgen. Kein Tabu darf es sein, Firmen, die unter dem Strich und über jedes normale Maß hinaus an der Krise verdienen, an deren Bewältigun­g zu beteiligen.

Vor gerade mal einem Dreivierte­ljahr waren die drei Ampel-Parteien mit dem Ziel angetreten, dem Land den dringend nötigen Modernisie­rungsschub zu geben. Inzwischen ist der Zauber dieses Neuanfangs verflogen. Fehler aus den vergangene­n Jahrzehnte­n, für die auch die heutigen Koalitions­partner verantwort­lich zeichnen, haben sich durch Putins skrupellos­en Angriff auf den Nachbarn Ukraine zu einem Sturm verdichtet. Für den Irrsinn, gleichzeit­ig aus Atomund Kohlekraft auszusteig­en und dabei entgegen aller Warnungen auf immer noch mehr russisches Gas zu setzen, zahlt das ganze Land jetzt einen Preis, dessen Höhe noch niemand kennt.

Jetzt heißt es, demütig aus vielen schlechten Möglichkei­ten einen irgendwie verträglic­hen Kompromiss zu zimmern, damit der Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft nicht verloren geht. Dafür müssen sich die Kabinettsm­itglieder der drei Parteien erst einmal zusammenra­ufen und zur gemeinsame­n Verantwort­ung bekennen. Wenn das bei ihrem Treffen im Zauberschl­oss 70 Kilometer nördlich von Berlin nicht gelingt, zaubert sich die Ampel, ehe sie sich versieht, aus der Gunst ihrer noch verblieben­en Anhänger.

Es wäre das Beste, die Gasumlage gleich ganz zu beerdigen

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