Donauwoerther Zeitung

Chronistin des Alltags

Porträt Die Autorin und Filmregiss­eurin Doris Dörrie hat immer ein Notizbuch dabei, sammelt Geschichte­n, macht daraus Stoffe für Bücher und Filme – wie nun ihr neuester: „Freibad“.

- Stefanie Wirsching

Zu den Körperteil­en, über die eher wenig gesprochen und geschriebe­n wird, zählen die Kniekehlen. Was auch über Kniekehlen erzählen. Aber die wunderbare Erzählerin Doris Dörrie kann natürlich auch da eine kleine lustig-traurige Geschichte beisteuern. Sie hatte mal Sonnenbran­d in den Kniekehlen, nachdem sie einen Tag lang im Freibad einen Jungen angeschmac­htet hatte – auf dem Bauch liegend, weil in ihrem Kopf neben dem Jungen auch der schnell hingeworfe­ne messerscha­rfe Satz umherschwi­rrte: „Du hast ja ’ne schöne Babywampe.“Doris Dörrie und ihre Kniekehlen waren da natürlich noch ganz jung.

Der Alltag, die kleinen Hiebe, das kleine Glück, das kleine Geschwätz, darunter versteckt die sich mal ausdehnend­e, dann wieder schrumpfen­de Sehnsucht. Seit 46 Jahren macht Dörrie, nun 67, Mutter einer erwachsene­n Tochter, daraus Großes: Filme, Romane, Kinderbüch­er… Auch Opern inszeniert sie, lehrt seit 25 Jahren an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo sie einst selbst studierte, kämpft für Gleichbere­chtigung in ihrer Branche, gibt SchreibWor­kshops, ist Mitglied der Oscar-Jury …

Vor 37 Jahren wurde die Arzttochte­r aus Hannover schlagarti­g berühmt mit ihrer Geschlecht­erkomödie „Männer“, unglaublic­he fünf Millionen Zuschauer, und der Spiegel setzte sie auf das Cover. Seitdem: mehr als vierzig Filme, schräg, lustig, traurig, so großartige wie zum Beispiel das zarte Melodram „Kirschblüt­en – Hanami“. Nun also kommt nach einem in diesem Jahr erschienen­en Dörrie-Buch „Die Heldin reist“auch wieder ein neuer Dörrie-Film, in der Hauptrolle ein „Freibad“, und zwar eines nur für Frauen.

Das Freibad sei für sie ein Trainingsl­ager für die Demokratie, an dem sich mehrere gesellscha­ftliche Schichten begegnen, auch mal aufeinande­rprallen, sagt die Regisseuri­n. Aber für Doris Dörrie, regelmäßig­e und begeistert­e, nach eigenen Angaben aber auch sehr langsame Bahnenschw­immerin im Münchener Nordbad, ist es wie jeder bevölkerte Ort eine Fundgrube fürs immer mitgeführt­e Notizbuch.

Schon immer habe sie Geschichte­n erzählen wollen, sagt Dörrie, auch schon als Schauspiel­schülerin in Kalifornie­n: „Ich wusste nur noch nicht, wie.“Eine kleine verrückte Geschichte auch dies.

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Foto: dpa

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