Neues aus dem Netz
Man kann im Sommer verreisen. Oder man kann daheim unglaublich interessante Tiere entdecken. Zum Beispiel die Gartenkreuzspinne.
Spinnen sind bekanntermaßen nicht jedermanns Sache. Umso verblüffter war ich, als mir kürzlich eine Leserin mailte, sie habe eine wunderschöne Wespenspinne im Garten entdeckt. Als ich vor ein paar Tagen zwischen Holzschuppen und einem gut zwei Meter entfernten Baum etwa auf Augenhöhe ein kunstvolles Netz in der Morgensonne strahlen sah, konnte ich die Begeisterung der Leserin nachvollziehen. In meinem Fall saß in der Mitte des Netzes eine Gartenkreuzspinne – eine der häufigsten Spinnen bei uns und mit etwa zwei Zentimetern Körperlänge auch eine der größten. Ihre Grundfarbe ist dunkel-graubraun, es gibt sie aber auch in helleren und rötlichen Varianten. Unverkennbar ist das weiße Kreuz auf dem vorderen Abschnitt ihres Hinterleibs, das aus runden oder länglichen Flecken besteht.
Gartenkreuzspinnen bauen kunstvolle, regelmäßig angeordnete
und bis zu einem halben Meter große Radnetze. Zwischen Holzschuppen und Baum stellte ich mir die Frage, wie die Spinne das wohl macht. Auf den Schuppen klettern, dort einen Faden verankern, runter vom Schuppen, rüber über die Wiese, den Baum hinauf,
den Faden oben spannen und festkleben? Das erschien mir unrealistisch. Die wissenschaftliche Spinnenliteratur weiß mehr: In der Höhe sitzend sondert die Spinne einen ganz leichten Faden ab, der vom kleinsten Windhauch weggetragen wird und sich woanders verfängt. Wenn das passiert ist, zieht die Spinne den Faden an ihrem Sitzplatz straff und fixiert ihn. Dann krabbelt sie diesen Faden mehrmals entlang und verstärkt ihn – fertig ist der Brückenfaden.
Als Nächstes seilt sich die Spinne mit einem neuen Faden in der Mitte der Brücke ab. Bei ihrer Landung spannt und fixiert sie auch ihn. So entsteht ein T, das sich aber zu einem Y verformt, weil der senkrechte Faden Zug auf den waagrechten Faden ausübt. Der Mittelpunkt des Y bildet später die Nabe, so nennt man das Zentrum des Netzes. Die Wege für alle strahlenförmigen Radien und die zentrale, sehr klebrige Fangspirale sind gut entschlüsselt, für Interessierte empfehle ich Fachlektüre. Es würde an dieser Stelle sonst ausarten.
Nicht nur der Bau des Netzes, auch das Material ist faszinierend: Spinnenseide ist ein Gemisch verschiedener Proteine, die sich je nach Stabilität, Elastizität oder Klebrigkeit unterschiedlich zusammensetzen. Die Spinnenseide wird in Spinndrüsen produziert und über die Spinnspulen (mit ihnen kann die Spinne sogar den Fadendurchmesser regulieren) und schlussendlich die Warzen am Hinterteil abgegeben.
Typischerweise sitzt die Gartenkreuzspinne als Lauerjägerin den ganzen Tag über in der Mitte des Netzes. Mit einer Stimmgabel kann man übrigens das Beutefangverhalten auslösen und beobachten: Stimmgabel anschlagen, ins Netz halten, schon rennt die Spinne wegen der Vibrationen los. Es könnte sich ja um Beute handeln! Keine Stimmgabel zur Hand? Dann kann man auch versuchen, das Netz mit einem Grashalm zum Vibrieren zu bringen.