Donauwoerther Zeitung

Kaum zu glauben

Ein Spiel für das Raritätenk­abinett: Trotz etlicher Chancen kommen die Bayern nicht über ein 1:1 gegen Gladbach hinaus. Der Konkurrenz aber macht das nur wenig Mut.

- Von Tilmann Mehl

München Für Christoph Kramer ist es natürlich ein wenig schade, dass er die WM in Katar nicht aktiv auf dem Platz erleben wird. Im Mittelfeld allerdings hat Nationaltr­ainer Hansi Flick etliche Kandidaten auf der Liste, die weit vor dem Weltmeiste­r von 2014 stehen. Profitiere­n werden davon allerdings die Fernsehzus­chauer. Das ZDF meldete unlängst, dass der Gladbacher das Turnier als TV-Experte begleiten werde.

Nachdem die Borussia am Samstagabe­nd ein glückliche­s 1:1 beim FC Bayern errungen hatte, schilderte Kramer präzise und doch unterhalts­am den Treffer zum zwischenze­itlichen 1:0 für seine Mannschaft. „Es war ein Bauerntric­k. Aber die Bauern wussten schon immer, wie es ging. Und deswegen sind die Bauerntric­ks immer die Besten.“Kramer hatte den Ball nach einem Einwurf auf Höhe des eigenen Strafraums wuchtig nach vorne getreten. In unteren Klassen wird derlei als „Befreiungs­schlag“klassifizi­ert. Und hätte Dayot Upamecano sich nicht derart tölpelig wie ein Stadtmensc­h beim Ausmisten angestellt, wäre der Ball nicht zu Marcus Thuram durchgedru­ngen. Weil der Verteidige­r aber formvollen­det am Ball vorbeisäbe­lte, konnte der Stürmer zur keinesfall­s verdienten Führung einschieße­n (43.).

Die Bayern traten einen reichlich alternativ­en Weg an, um gegen die zuletzt beklagte mangelnde Spannung in der Liga vorzugehen. Sie zeigten eine Leistung, die Trainer Julian Nagelsmann als die „beste der Saison“einordnete, unterließe­n es aber einfach, den Ball ins Tor zu schießen. Und als sie es dann zweimal doch taten, standen entweder Leroy Sané (knapp) oder Sadio Mané (weniger knapp) strafbar im Abseits.

So entwickelt­e sich über die 90 Minuten eine Partie, die die Zuschauer als eine der unterhalts­ameren der jüngeren Bayern-Geschichte in Erinnerung behalten dürften. Dafür sorgten in Nebenrolle­n auch vier Aktivisten, die sich an Torpfosten ketten wollten (was ihnen nicht gelang) und die Fans der Südkurve, die erst mit prächtiger Choreograf­ie und zu Beginn der zweiten Halbzeit mit fragwürdig­er aber doch auch imposanter Pyro-Show das 50. Jubiläum ihres Bestehens feierten.

Für Ermunterun­g des sonst als reserviert geltenden Münchner Publikums sorgte auch Schiedsric­hter Daniel Schlager mit manch interessan­ter Zweikampfb­eurteilung. Dass Nagelsmann, Leroy Sané und Joshua Kimmich Gelbe Karten wegen Reklamiere­ns erhielten, deutet darauf hin, welche Mannschaft sich eher benachteil­igt sah.

Schließlic­h aber verteidigt­en die Bayern die Tabellenfü­hrung doch noch, weil Sané eine Hereingabe des eingewechs­elten Jamal Musiala überlegt ins Tor schob (83). Und nicht einmal der Gladbacher Trainer Daniel Farke mochte sich ob des späten Zeitpunkts des Tores grämen: „Normalerwe­ise bist du enttäuscht, wenn du einen späten Ausgleich bekommst. Aber heute kann man wirklich nicht sagen, dass der Punkt für Bayern unverdient war.“Zuvor und auch danach noch scheiterte­n die Bayern am herausrage­nden Torwart Yann Sommer.

Allzu heftig beklagen wollten die Münchner hernach den doppelten Punktverlu­st aber nicht. Einzig an der Chancenver­wertung habe es gelegen, dass man dem dritten Saisonsieg nicht einen vierten folgen ließ, waren sich Spieler und Trainer einig. Weil nun aber in der

Schlusspha­se der ausgebilde­te Innenverte­idiger Matthijs de Ligt für den Siegtreffe­r sorgen sollte (der ihm beinahe auch noch geglückt wäre), tauchten erstmals in dieser Saison Fragen auf, ob denn das Spiel mit Robert Lewandowsk­i in der Spitze nicht einen anderen Verlauf genommen hätte. Kühler Konter der Münchner: Mit dem nach Barcelona abgewander­ten Stürmer hatte man in der vergangene­n Saison 0:5 in Gladbach verloren. „Wir haben nicht viel Zielwasser getrunken“, so Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic. Sollten die Münchner aber demnächst wieder besser zielen, dürften die Diskussion­en ob der fehlenden Spannung in der Liga bald schon wieder einsetzen. Möglicherw­eise schon kommenden Samstag, wenn das nächste Spitzenspi­el der Bayern ansteht. Dann bei Union Berlin.

Bayern München Neuer – Pavard, Upamecano, Lucas Hernandez, Davies – Kimmich, Sabitzer (67. Musiala) – Coman, Sané (85. de Ligt) – Müller, Mané (68. Gnabry) Bor. Mönchengla­dbach Sommer – Scally, Itakura, N. Elvedi, Netz – Kramer, Koné (85. Jantschke) – Hofmann (85. Herrmann), Neuhaus (77. Friedrich), Pléa (52. H. Wolf) – Thuram Tore 0:1 Thuram (43.), 1:1 L. Sané (83.) Zuschauer 75.000 (ausverkauf­t) Schiedsric­hter Schlager (Rastatt)

 ?? Foto: Bernd Feil ?? Joshua Kimmich haderte mit sich, seinen Kollegen, dem Schiedsric­hter, vor allem aber: mit der Chancenver­wertung des FC Bayern gegen Mönchengla­dbach. Dass es am Ende 1:1 stand, war einer seltenen Laune des Fußballs zu verdanken.
Foto: Bernd Feil Joshua Kimmich haderte mit sich, seinen Kollegen, dem Schiedsric­hter, vor allem aber: mit der Chancenver­wertung des FC Bayern gegen Mönchengla­dbach. Dass es am Ende 1:1 stand, war einer seltenen Laune des Fußballs zu verdanken.

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