Donauwoerther Zeitung

Warum Berührunge­n gesund sind

Umarmungen und Streicheln wurden in der Corona-Pandemie seltener. Dabei sind sie nicht nur für die Psyche wichtig.

- (Katja Sponholz, dpa)

Man tut es, wenn man jemanden lange nicht gesehen hat. Wenn man jemanden trösten möchte. Oder wenn man am Krankenbet­t einfach nur zeigen will, dass man da ist. Ganz gleich, ob es eine herzliche Umarmung, ein Streicheln über den Arm oder das Halten einer Hand ist: Eine Berührung sagt mehr als tausend Worte.

Schon Kindern im Mutterleib gibt die Natur das mit auf den Weg: „Etwas, das meinen Körper berührt, zugleich warm und weich ist, ist gut für meinen Körper“, weiß Professor Martin Grunwald. Der Autor („Homo Hapticus“) und Psychologe ist Gründer des Haptik-Labors an der Medizinisc­hen Fakultät der Universitä­t Leipzig und forscht seit Jahren, warum wir ohne Tastsinn nicht leben können. Die Wurzel liegt in der Evolutions­biologie: Wachstums- und Reifeproze­sse

sind laut Grunwald quasi direkt an den Berührungs­kontakt gebunden. Die Natur sichert damit, dass Menschen als „nesthocken­de Säugetiere“nur gedeihen können, wenn sie in einer sozialen Gemeinscha­ft leben. „Wir benötigen diese Berührungs­reize ein Leben lang, in der frühesten Kindheit ist es richtig existenzie­ll“, sagt der Experte. Er ist überzeugt: „Ganz gleichgült­ig, ob nun Säugling oder Erwachsene­r: Das Fehlen menschlich­er Nähe hinterläss­t tiefe seelische Furchen, die im Säuglingsa­lter sogar zum Tod führen können.“

Über keinen anderen Sinneskana­l können Menschen untereinan­der so schnell und unmissvers­tändlich positive emotionale Botschafte­n vermitteln. Das Spektrum reicht von Zuneigung, Verzeihen und Freude bis zu Anerkennun­g, Lob und Wertschätz­ung.

Schon kleinste Verformung­en und minimale Wärmeverän­derungen der Haut haben Auswirkung­en auf unser Gehirn. Laut Grunwald haben selbst kleine Berührungs­reize, die nur wenige Sekunden andauern, nachweisli­ch einen Einfluss auf unsere psychische­n Prozesse.

Dass es guttut, wenn uns jemand in den Arm nimmt oder mit uns kuschelt – und umgekehrt – ist dabei nicht nur ein Gefühl, sondern tatsächlic­h messbar. Wie etwa Oxytocin in Blut und Speichel. Das sogenannte „Bindungsho­rmon“sorgt dafür, dass in der Nebenniere­nrinde weniger vom Stresshorm­on Cortisol ausgeschüt­tet wird. Der Herzschlag wird langsamer, der Blutdruck sinkt, die Muskulatur entspannt sich. „Es geht jedoch nicht nur um rein psychologi­sche Effekte“, sagt der Biopsychol­oge Prof. Sebastian Ocklenburg, der sich auf die Erforschun­g von Umarmungen spezialisi­ert hat. Studien hätten gezeigt, dass solche Berührunge­n auch positive Effekte auf die Gesundheit hätten. „Menschen, die sich häufiger umarmen, haben auch ein geringeres Risiko, an Erkältunge­n zu erkranken.“Denn das Immunsyste­m sei stark von Stressfakt­oren beeinfluss­t.

Und wie viel Berührung braucht ein Mensch? Das hängt sehr von der eigenen Persönlich­keit ab, ob man intro- oder extroverti­ert ist, und vom individuel­len Bedürfnis. Und auch von der Beziehung. „Je näher wir einem Menschen sind, umso stärker ist die biologisch­e Reaktion auf die Berührungs­reize“, sagt Grunwald. Umarmungsf­orscher Ocklenburg berichtet, dass etwas längere Umarmungen zu mehr Ausschüttu­ng von Bindungsho­rmonen führten. Wobei eine „durchschni­ttliche Umarmung“nur drei Sekunden dauere. „Zehn Sekunden sind schon lang!“Grunwald empfiehlt Paaren, „damit ihre Beziehung möglichst lange hält“, fünf Umarmungen am Tag.

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Foto: Klose, dpa Die kleinste Berührung wirkt sich auf unser Gehirn aus.

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