Schädel-Hirn-Trauma: Der Täter war ein Freund
Zwei Männer sind 20 Jahre befreundet. Dann kommt es zu einem folgenschweren Streit. Jetzt sind sie sich vor Gericht wieder begegnet.
Nördlingen 20 Jahre lang waren die beiden jungen Männer aus Nördlingen „super befreundet“, wie sie sagen. Nun begegneten sie sich in Nördlingen vor Gericht wieder. In den unterschiedlichen Versionen, die die beiden zu der Körperverletzung präsentierten, ging es um viel Bier, eine junge Frau, Sex-Wünsche und den Vorwurf, Gott zu spielen. Doch der Reihe nach.
Auf der Anklagebank saß ein 34-jähriger Mann aus Nördlingen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, Ende August vorigen Jahres in einer Kleingartenanlage in Nördlingen am frühen Abend seinem Freund mehrmals unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mit den Füßen auf ihn eingetreten zu haben, nachdem jener gestürzt war. Der Geschädigte erlitt dabei ein Schädel-Hirn-Trauma. Gegen den Strafbefehl wegen Körperverletzung hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt.
Er selbst schilderte den Vorfall so, dass er in seiner Kleingartenparzelle zusammen mit seinem Freund Bier getrunken habe. Mit steigendem Alkoholpegel sei ihre Diskussion über Corona-Maßnahmen und Flüchtlinge irgendwann eskaliert.
Der Freund sei auf ihn losgegangen, habe ihn getreten und ihm gedroht, ihn umzubringen. Da habe sich der Angeklagte gewehrt und seinem Freund mit der Faust einmal ins Gesicht geschlagen. Nachdem jener zu Boden gegangen sei, habe ihm der Angeklagte sogar noch aufgeholfen, und die beiden hätten sich normal voneinander verabschiedet, um weiter zu diskutieren, wenn sie wieder nüchtern wären.
Die Version des 36-jährigen Opfers, der als Zeuge aussagte, lautete hingegen ganz anders: Der Angeklagte habe ihn angerufen und gefragt, ob er ihm bei Arbeiten in der Parzelle helfen könne. Als er dort eingetroffen sei, hätten beide Bier getrunken, und der Angeklagte habe angefangen, verschiedene Personen zu beleidigen. Dann habe der Angeklagte eine junge Frau angerufen, sie herbestellt und ihr dann, als sie da gewesen sei, vorgeworfen, dass sie keinen Sex mit ihm haben wolle. Dabei habe er auch die Frau aufs Übelste beleidigt.
Er, der Freund, habe die junge Frau weggeschickt, um Schlimmeres zu verhindern. Als diese gegangen sei, sei der Angeklagte aggressiv geworden und habe ihm mehrmals vorgeworfen, Gott zu spielen, weil er die Frau heimgeschickt habe. Der Angeklagte habe ihn dann vom Stuhl gestoßen, sich auf ihn draufgesetzt und auf ihn mehrmals eingeschlagen, wobei er immer wieder gerufen habe: „Wer ist Gott?“Der Angeklagte (1,81 Promille) sei „so abgegangen, so habe ich ihn noch nie erlebt“, sagte der Geschädigte. „Ich hab um mein Leben geschrien.“
Zu der früheren, 20 Jahre langen Freundschaft sagte der Geschädigte: „Es war immer alles super, wir haben uns gegenseitig immer geholfen.“Mit einer gewissen Betrübnis ergänzt er: „Alles wegen einer Frau.“Als er sich irgendwann aus der Notlage damals befreien konnte, sei er nach Hause gerannt, habe die Polizei gerufen und sei ins Krankenhaus gegangen. Fünf Wochen sei er arbeitsunfähig gewesen. Der Geschädigte wollte im Gerichtssaal auf den Strafantrag verzichten und erklärte sich mit einem bereits geschlossenen Vergleich über 500 Euro zufrieden. Als der Geschädigte den Zeugenstand verließ, stand der Angeklagte auf, ging auf ihn zu und sagte: „Sorry wegen dem Vorfall, es tut mir leid“– Handschlag und Umarmung folgten.
Die Staatsanwältin Elisabeth Akindele hielt die Version des Zeugen für glaubwürdiger und plädierte auf 210 Tagessätze, auch wegen mehrerer einschlägiger Vorstrafen.
Verteidigerin Bettina Anselstetter forderte einen Freispruch, ihr Mandant sei in dem Gerangel angegangen worden und habe sich nur gewehrt. Das Urteil von Richterin Emilia Bercovic lautete auf 160 Tagessätze.