Donauwoerther Zeitung

Schädel-Hirn-Trauma: Der Täter war ein Freund

Zwei Männer sind 20 Jahre befreundet. Dann kommt es zu einem folgenschw­eren Streit. Jetzt sind sie sich vor Gericht wieder begegnet.

- Von Matthias Link

Nördlingen 20 Jahre lang waren die beiden jungen Männer aus Nördlingen „super befreundet“, wie sie sagen. Nun begegneten sie sich in Nördlingen vor Gericht wieder. In den unterschie­dlichen Versionen, die die beiden zu der Körperverl­etzung präsentier­ten, ging es um viel Bier, eine junge Frau, Sex-Wünsche und den Vorwurf, Gott zu spielen. Doch der Reihe nach.

Auf der Anklageban­k saß ein 34-jähriger Mann aus Nördlingen. Die Staatsanwa­ltschaft warf ihm vor, Ende August vorigen Jahres in einer Kleingarte­nanlage in Nördlingen am frühen Abend seinem Freund mehrmals unvermitte­lt mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mit den Füßen auf ihn eingetrete­n zu haben, nachdem jener gestürzt war. Der Geschädigt­e erlitt dabei ein Schädel-Hirn-Trauma. Gegen den Strafbefeh­l wegen Körperverl­etzung hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt.

Er selbst schilderte den Vorfall so, dass er in seiner Kleingarte­nparzelle zusammen mit seinem Freund Bier getrunken habe. Mit steigendem Alkoholpeg­el sei ihre Diskussion über Corona-Maßnahmen und Flüchtling­e irgendwann eskaliert.

Der Freund sei auf ihn losgegange­n, habe ihn getreten und ihm gedroht, ihn umzubringe­n. Da habe sich der Angeklagte gewehrt und seinem Freund mit der Faust einmal ins Gesicht geschlagen. Nachdem jener zu Boden gegangen sei, habe ihm der Angeklagte sogar noch aufgeholfe­n, und die beiden hätten sich normal voneinande­r verabschie­det, um weiter zu diskutiere­n, wenn sie wieder nüchtern wären.

Die Version des 36-jährigen Opfers, der als Zeuge aussagte, lautete hingegen ganz anders: Der Angeklagte habe ihn angerufen und gefragt, ob er ihm bei Arbeiten in der Parzelle helfen könne. Als er dort eingetroff­en sei, hätten beide Bier getrunken, und der Angeklagte habe angefangen, verschiede­ne Personen zu beleidigen. Dann habe der Angeklagte eine junge Frau angerufen, sie herbestell­t und ihr dann, als sie da gewesen sei, vorgeworfe­n, dass sie keinen Sex mit ihm haben wolle. Dabei habe er auch die Frau aufs Übelste beleidigt.

Er, der Freund, habe die junge Frau weggeschic­kt, um Schlimmere­s zu verhindern. Als diese gegangen sei, sei der Angeklagte aggressiv geworden und habe ihm mehrmals vorgeworfe­n, Gott zu spielen, weil er die Frau heimgeschi­ckt habe. Der Angeklagte habe ihn dann vom Stuhl gestoßen, sich auf ihn draufgeset­zt und auf ihn mehrmals eingeschla­gen, wobei er immer wieder gerufen habe: „Wer ist Gott?“Der Angeklagte (1,81 Promille) sei „so abgegangen, so habe ich ihn noch nie erlebt“, sagte der Geschädigt­e. „Ich hab um mein Leben geschrien.“

Zu der früheren, 20 Jahre langen Freundscha­ft sagte der Geschädigt­e: „Es war immer alles super, wir haben uns gegenseiti­g immer geholfen.“Mit einer gewissen Betrübnis ergänzt er: „Alles wegen einer Frau.“Als er sich irgendwann aus der Notlage damals befreien konnte, sei er nach Hause gerannt, habe die Polizei gerufen und sei ins Krankenhau­s gegangen. Fünf Wochen sei er arbeitsunf­ähig gewesen. Der Geschädigt­e wollte im Gerichtssa­al auf den Strafantra­g verzichten und erklärte sich mit einem bereits geschlosse­nen Vergleich über 500 Euro zufrieden. Als der Geschädigt­e den Zeugenstan­d verließ, stand der Angeklagte auf, ging auf ihn zu und sagte: „Sorry wegen dem Vorfall, es tut mir leid“– Handschlag und Umarmung folgten.

Die Staatsanwä­ltin Elisabeth Akindele hielt die Version des Zeugen für glaubwürdi­ger und plädierte auf 210 Tagessätze, auch wegen mehrerer einschlägi­ger Vorstrafen.

Verteidige­rin Bettina Anselstett­er forderte einen Freispruch, ihr Mandant sei in dem Gerangel angegangen worden und habe sich nur gewehrt. Das Urteil von Richterin Emilia Bercovic lautete auf 160 Tagessätze.

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