Ein Bauernprotest der milderen Sorte
Wieder protestieren im Landkreis Donau-Ries die Bauern. Sie sind beflügelt von der Solidarität der Bevölkerung und hoffen auf ein Einlenken der Bundespolitik.
Ein Galgen ist nicht zu sehen am Mittwochmorgen auf dem Parkplatz der Zott-Genusswelt. Doch die Kälte kriecht in die Füße und Nebel drückt am Anfang dieser nächsten Runde des regionalen Bauernprotests noch etwas aufs Gemüt und die Stimmung. Nach und nach biegen die Schlepper mit ihren Transparenten auf den großen Kundenparkplatz direkt an der Auffahrt BäumenheimSüd zur B2. Hier soll dichtgemacht werden an diesem Vormittag. Zeitweise nur, stets eine Viertelstunde, dann ist die Auffahrt wieder 15 Minuten frei. Es ist dieses Mal nicht der Säbel des Protests, eher das Florett; Milde statt Mauer. Doch funktioniert die feine Art?
„Wir gehen auf einem schmalen Grat“, sagt Kreisbäuerin Nicole Binger, die mit ihrem Mann und den drei Kindern nebenan in Mertingen einen Hof bewirtschaftet. Sie fügt hinzu, dass man im Bauernverband stets genau überlege, welche Form des Protests man wählen solle, um die Geduld der Menschen nicht überzustrapazieren: „Wir dürfen nicht den Unmut der Menschen auf uns ziehen, aber wir müssen auch sichtbare Zeichen setzen, uns bemerkbar machen.“Binger steht gemeinsam mit Beamten der Rainer Polizei auf dem Parkplatz und weist die Landwirte in die Regeln für die gut dreistündige Aktion ein: Die B2-Auffahrten dürfen nur zeitweise gesperrt werden, Einsatzfahrzeugen muss Platz gemacht und der Polizei gehorcht werden. Blockaden auf eigene Faust andernorts: nein. Die gut 35 Bauern nicken, keiner meckert oder schimpft. Es ist ein etwas anderer Protest als dieser Tage im Nachbarland Frankreich, wo die Berufskollegen ankündigten, notfalls Paris auszuhungern und schon in den ersten Stunden der Demos Barrikaden errichteten. „Die Franzosen sind da etwas rabiater“, sagt Hans Link aus Mertingen. Der 67-Jährige ist seit 45 Jahren Landwirt – er betont, dass seine Zunft im Vergleich zu anderen Branchen nicht von allem mehr wolle, sondern nur ihren Status quo, ihre Existenz erhalten. Der Agrardiesel sei nur der berühmte letzte Tropfen, „auf das Fass, das schon die Vorgängerregierung gut gefüllt hat“. Es gehe um die Fülle an Auflagen, um kleinliche Bürokratie, die inzwischen kaum mehr zu bewältigen sei, wie Martin Völk anmerkt.
Der Mertinger bewirtschaftet 80 Hektar, unter anderem baut er Getreide, Kartoffeln und Gemüse an. Völk sagt, er wollte eigentlich noch zwei Jahre den Hof leiten, doch er bat seinen Sohn kürzlich, jetzt doch früher zu übernehmen. Nicht die Arbeit an sich mache ihm zu schaffen, sondern eben all die Formulare, Meldungen, Dokumente. Fast jeder, mit dem man hier ins Gespräch kommt, wiederholt dieses Begriffspaar: Bürokratie und Auflagen. Man fühlt sich gegängelt, „an die Wand gedrückt“.
Zur Verdeutlichung zeigt ein Auchsesheimer Bauer auf seinem Smartphone die App „Fal-BY“. Es handle sich um eine ministerielle Foto-App, mit der die Felder und was der Bauer auf ihnen treibt kontrolliert werden können. „Für Sie stehen 16 Aufgaben an“, steht da auf dem Smartphone. Was das nun sei? Fotos müsse er einsenden, damit ihm die zuständige Behörde glauben kann, dass er auch wirklich das anbaut, was in seinem Förderantrag angegeben ist. Ein Grundmisstrauen sei das, meint er, man könne sogar sagen „totale Überwachung“. Nun gut, Vertrauen sieht in der Tat anders aus. Isabella Wiebel hat zwei kleine Kinder, mit ihrem Mann beackert sie 95 Hektar in Bäumenheim. Sie bemerkt sukzessive Einbußen, parallel häuften sich die Verordnungen und Auflagen. Die Kinder sollten irgendwann später den Hof übernehmen – aber wie bitte solle das gehen, frage sie sich mittlerweile.
Währenddessen laufen die 15-Minuten-Sperren ohne besondere Probleme, wie auch die Beamten der Polizei loben. Brav suchen sich Auto- und Lkw-Fahrer die nächste Auffahrt. Kein Gehupe, niemand rauft sich die Haare, tippt sich ans Hirn oder zeigt gar den Mittelfinger. Im Gegenteil. Die Passanten zeigen Verständnis, auch jene auf dem Parkplatz. Eine ältere Dame aus dem Kreis Augsburg sagt, sie könne den Frust der Landwirte gut nachvollziehen; nein, genervt sei sie nicht, diese Menschen ackerten und produzierten schließlich das, was jeder tagtäglich zum Leben brauche.
Unter den Protestierenden steht auch Biobauer Michael Näßl. Der 36-Jährige hat vor gut zehn Jahren den Hof des Großonkels in Nordheim übernommen. Die gesamte Existenz hänge daran, die ganze Familie samt Kindern. Näßl baut unter anderem Raps, Weizen, Mais und Ackerbohnen an. Die Preise seien aktuell im Keller, die Belastungen hingegen stiegen. „Wir haben höchste Standards in diesem Land und das finde ich auch gut so – aber es ist die Aufgabe der Regierung, uns dann auch vor der Billigkonkurrenz etwa aus Asien zu schützen, die bei sich zu Hause diese Auflagen nicht erfüllen müssen.“Jeder dürfte hier seine Produkte verkaufen, die deutschen Bauern seien jedoch im Gegensatz zu den Kollegen andernorts an inzwischen sehr hohe Standards gebunden, stünden aber unmittelbar in Konkurrenz. Das sei letzten Ende unfair, schlichtweg „eine Wettbewerbsverzerrung“.
Auch in Monheim und Buchdorf sind an diesem Tag jeweils 30 bis 35 Schlepper an den Auffahrten zur B2 unterwegs. Friedlich seien die Aktionen verlaufen, seitens der Bevölkerung sei die Solidarität ungebrochen, berichtet der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Donau-Ries (BBV), Karlheinz Götz, der mit seinem Schlepper in Monheim protestierte. Nein, man steige jetzt nicht so heftig ein wie die Franzosen mit brennenden Barrikaden und Totalblockaden, aber der Protest gehe weiter. Am Donnerstag ist in Mündling ein Mahnfeuer geplant. Zuletzt sei bei diesen Feuern eine immense Solidarität der Bevölkerung zu spüren gewesen, sagt Götz. Mancherorts sei schier das halbe Dorf mit dabei gewesen.