Alkohol: Gefährlich ab dem ersten Schluck
Das eine Glas Rotwein tut gut, denken viele. Doch dem ist nicht so. Bei der Suchtfachambulanz bekommen Menschen Hilfe, die die Kontrolle verloren haben.
Da noch ein Schnapserl, hier ein Glas Sekt, das Feierabendbier zur Brotzeit gehört sowieso dazu: In unserer Gesellschaft ist Alkohol allgegenwärtig – und das nicht nur im Fasching. Im Vergleich zu anderen Ländern sei Deutschland ein Hochkonsumland, sagt Alisa Engelmann von der Suchtfachambulanz der Diakonie DonauRies. Durchschnittlich konsumieren jeder Deutsche und jede Deutsche ab 15 Jahren zehn Liter Reinalkohol pro Jahr, das entspricht 100 Litern Wein. Und Studien belegen: Nicht mal das berühmte Achtel Rotwein tut der Gesundheit etwas Gutes.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen kommt in ihren „Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol“zum Schluss, dass es am besten ist, gar keinen Alkohol zu trinken: „Alkoholische Getränke bergen Risiken, wenn es um die physische Gesundheit der Menschen geht.“So gebe es beispielsweise lineare Beziehungen zwischen dem Alkoholkonsum und der Wahrscheinlichkeit bei Frauen, an Brustkrebs zu erkranken. Laut Bundesgesundheitsministerium starben im Jahr 2016 rund 19.000 Frauen und 43.000 Männer an einer „ausschließlich auf Alkohol zurückführenden Todesursache“. Zudem, so teilt die Behörde mit, konsumierten rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in einer „gesundheitlich riskanten Form“. Ein problematischer Alkoholkonsum liege sogar bei neun Millionen in dieser Altersgruppe vor.
Wer sich selbst zu dieser Gruppe rechnet, der kann das Gespräch mit Natalie Nagowski und Alisa Engelmann suchen. Die beiden arbeiten bei der Suchtfachambulanz der Diakonie Donau-Ries in Nördlingen. Nagowski ist Diplom-Psychologin und bereits seit fünf Jahren dabei, Engelmann ist Sozialarbeiterin und seit einem Jahr in der Beratung tätig. Die beiden verfolgen einen anderen Ansatz, als beispielsweise die Anonymen Alkoholiker, bei denen
die Maxime gilt, komplett abstinent zu sein. „Wir holen die Person erst einmal ab und schauen uns das Konsummuster an“, erklärt Nagowski. Dann gebe man dem Menschen eine Rückmeldung: „Wir machen nur eine Beratung, wir drängen niemanden zur Therapie.“Manches Mal brauche es erst mehrere Teilschritte, bis jemand seinen Konsum tatsächlich wahrhaftig wahrnimmt.
Während in anderen Ländern ein Vollrausch verpönt sei, werde das in Deutschland noch immer hingenommen, sagen die beiden. Oft werde erst dann, wenn jemand seinen Führerschein durch Alkohol verliere,
das Problem offensichtlich. Denn: Wer es mit drei Promille noch schaffe, ein Auto zu lenken, der habe eindeutig eine gewisse Toleranz gegenüber Alkohol entwickelt.
Mehr zu vertragen als andere sei ein Kriterium für Alkoholabhängigkeit. Ein anderes seien körperliche Entzugserscheinungen, etwa innere Unruhe oder zittrige Hände. Weitere Merkmale seien, wenn sich die
Gedanken zwanghaft um Alkohol drehten oder wenn man Verträge mit sich selbst nicht mehr einhalten könne – etwa seinen Konsum nicht mehr reduzieren könne, obwohl man sich das vorgenommen habe.
Eine ambulante Therapie können Nagowski und Engelmann den Betroffenen anbieten, sie vermitteln aber auch in andere Therapieformen. Die Betroffenen kostet weder die Beratung noch die Therapie etwas. Zwar haben die meisten Besucherinnen und Besucher der Suchtfachambulanz ein Problem mit ihrem Alkoholkonsum, viele sind aber auch in einem Substitutionsprogramm, statt Heroin nehmen sie einen Ersatzstoff. Die Beratung richtet sich aber auch an Menschen, die von Medikamenten oder anderen Drogen abhängig sind beziehungsweise vom Glücksspiel nicht mehr loskommen. Denen habe die Coronapandemie übrigens manches Mal sogar geholfen, sagt Nagowski. Denn während dieser Zeit waren die Spielhallen schlicht zu.
Info: Eine Kurzberatung ohne Termin gibt es in der offenen Sprechstunde, immer dienstags, 13 bis 15 Uhr, in der Suchtfachambulanz, Würzburger Straße 13, 86720 Nördlingen. Die beiden Beraterinnen sind erreichbar unter Telefon 09081/2907030.
Manche merken es erst, wenn der Führerschein weg ist.