Hier kommt das Dorf zusammen
Am Faschingsdienstag ziehen mehrere Gruppen durch Hafenreut bei Kaisheim. Bewohner und Neugierige bestaunen den kleinsten Faschingsumzug weit und breit.
Dienstagmittag zieht eine dunkle Wolke von Norden in Richtung Hafenreut. Hexen, Feen, Cowboys, Eisbären und Piraten gehen gerade durch die Straßen und schauen immer wieder besorgt in den Himmel. Noch scheint über dem etwa 250-Einwohner-Ort die Sonne. Eine Hexe steht am Straßenrand und sagt: „Hoffentlich bleibt es so.“Verkleidete Schaulustige machen sich bereit und warten auf den Beginn des kleinsten Faschingsumzugs im Landkreis, der für viele Bewohnerinnen und Bewohner mit einigen schönen Erinnerungen verbunden ist. An bunt verpackten politischen Themen fehlt es in Hafenreut nicht.
Christin Lippert führt den Umzug
an. Sie ist die zweite Vorsitzende des Hafenreuter Spielplatzvereins, der den Umzug jedes Jahr organisiert. Sie zählt noch einmal durch: „Acht Gruppen sind dieses Jahr dabei.“Wie viele Menschen exakt mitlaufen würden, kann sie nicht genau sagen. Zwar organisiert der Verein den Umzug, „wer aber dann alles dabei ist, erfahren wir erst kurzfristig.“Die Einladung des Vereins gab vor, dass alle herzlich eingeladen sind teilzunehmen, als motorisierte Fahrzeuge sind jedoch nur Rasenmähertraktoren mit Anhänger erlaubt.
Einige der Rasenmähertraktoren rattern, dicht gefolgt von Hexen und einer Biene auf einem Mofa, durch den Ort. Mitten drin ist auch Walter Bosch. Das ehemalige Vorstandsmitglied des Spielplatzvereins ist als Polizist verkleidet und passt auf seinem Fahrrad auf, dass alles seine Ordnung behält. Während er mit Schaulustigen am Straßenrand redet, bereiten zwei Feuerwehrmänner (nicht verkleidet) die Straßensperrung vor. Bosch sagt, den Umzug mache vor allem eine Sache so besonders: „Die Leute.“Es herrsche eine familiäre Atmosphäre, weil viele Bewohnerinnen und Bewohner involviert seien: „Dass es keine Anmeldung gibt, macht die Teilnahme am Umzug unkomplizierter.“Das bestätigt auch die zweite Vorsitzende Lippert: „Die Bereitschaft, mitzuwirken, ist bei uns sehr groß.“Bei dem Faschingsumzug komme das Dorf zusammen.
Nicht nur für die Erwachsenen ist der Umzug in Hafenreut ein besonderes Erlebnis: Charlotte Schrenk-Gerngroß steht am Straßenrand
und baut einen Tisch auf. Die Hafenreuterin sagt, der Tag sei auch für die Kinder sehr speziell. „Ich kann mich noch an meine Kindheit und die Umzüge früher erinnern.“Damals wie heute sei der Fasching „etwas Besonderes.“Weil Schrenk-Gerngroß krank sei, könne sie nicht mit dem Umzug mitlaufen, erzählt sie: „Sonst wäre ich sehr gerne mitten drin.“Als der Umzug an ihrem Tisch vorbeizieht, kommen die bunt verkleideten Kinder zu ihr und greifen in die Süßigkeitenschale.
Auf den Rasenmähertraktoren haben einige Hafenreuter Schilder mit politischen Inhalten montiert. So gibt sich etwa ein Traktor als „Klimakleber-Räumfahrzeug“aus. Ein weiteres Fahrzeug, gesteuert von einem Kind, fordert mehr Subventionen für Kinder.
Christian Kapfer ist gebürtiger Hafenreuter. Er steht am Straßenrand und sagt, der Spaß stehe bei dem Umzug immer an erster Stelle, „auch wenn viele ihre Meinung preisgeben wollen.“Für den 35-Jährigen ist der Faschingsumzug ein „riesiges Highlight“, schon seit seiner Kindheit sei er jedes Jahr dabei. „Dass politische Botschaften ein Teil des Umzugs sind, war schon immer so.“
Für Josef Schröttle hingegen ist es das erste Mal bei dem Faschingsumzug. Der 85-Jährige ist mit dem Fahrrad nach Hafenreut gefahren, um sich den Umzug anzusehen. „Ich habe viel darüber in der Zeitung gelesen und wollte mir das mal ansehen“, sagt er. Dann zieht der Umzug an ihm vorbei, die Gruppen laufen durch Hafenreut, wo auch am Ende des Umzugs noch die Sonne scheint.